Die neue Mobilität

Kennen Sie moovel? Die kostenlose Mobilitäts-App kombiniert Öffentlichen Personennahverkehr, die Carsharing-Anbieter Car2go und Flinkster, Mytaxi, Mietfahrräder und die Deutsche Bahn. Die Moovel-App liefert aber nicht nur Fahrpläne, sondern beschafft auch gleich die passenden Fahrscheine. Mittlerweile gehört diese innovative App zum schwäbischen Daimler-Konzern. Wer so fortschrittlich ist, der weiß bestimmt auch, wie unsere Mobilität von morgen aussehen wird?

„Diese vier Schlagworte zur Mobilität der Zukunft bringen es für mich auf den Punkt: „Connected“, „Autonomous“, „Shared“ und „Electric“. Mobilität und Verkehrsmittel werden immer vernetzter, das ist seit Jahren klar erkennbar. Autonomes Fahren wird die Welt der Mobilität in den kommenden zehn Jahren disruptiv verändern – wobei der gesellschaftliche Diskurs darüber gerade erst begonnen hat. Ich rechne fest damit, dass autonome Fahrzeuge zu einem großen Teil über Sharing-Konzepte angeboten werden. Und ich gehe davon aus, dass ebendiese Fahrzeuge überwiegend einen elektrischen Antrieb haben werden,“ erklärt der Sprecher von moovel, Michael Kuhn auf der Seite Neue Mobilität von Baden-Württemberg.

Das „Ländle“ will Pionierregion für nachhaltige Mobilität werden und hat, um dieses Ziel sichtbar und erlebbar zu machen, 2015 die ersten Heldinnen und Helden der neuen Mobilität ausgezeichnet. Die Kampagne und die Videoportraits sind sehenswert.

„Connected“, also die Vernetzung von Mobilität und Verkehrsmitteln, hat für den ländlichen Raum große Bedeutung, wo der öffentliche Nahverkehr noch die Basis bildet, aber ein Großteil der Schülerverkehr ausmacht. Um wirtschaftlich und attraktiver zu werden, vorhandene Angebotslücken zu schliessen und den individuellen Mobilitätsbedürfnissen von älteren und jüngeren Menschen ohne eigenes Auto gerecht zu werden, muss der ÖPNV mit ergänzenden und neuen Mobilitätsangeboten kombiniert und vernetzt werden. Der Verkehrsfachmann nennt diese flexible Mischung der Verkehrsmittel multimodale Vernetzung.

Eine gute Ergänzung sind beispielsweise Bürgerbusse, die von engagierten Bürgern ins Leben gerufen und ehrenamtlich betrieben werden. Die Idee stammt aus Großbritannien und kam über die Niederlande ins benachbarte Münsterland, wo 1985 die erste deutsche Bürgerbus startete. 30 Jahre später verkehren in der gesamten Bundesrepublik etwa 250 Kleinbusse im normalen Linienverkehr mit festem Fahrplan und festen Haltestellen. Flexibler funktionieren der Variobus im Nordosten des Landkreises Traunstein oder der Flexibus im Landkreis Günzburg, die keine festen Fahrpläne, wohl aber festgelegte Haltestellen kennen. Damit ältere Menschen preisgünstig zum Arzt oder zum Supermarkt kommen, werden auch beim bedarfsgerecht gesteuerten Bürgerbus in Olfen (12.273 Einwohner) in Nordrhein-Westfalen die Fahrtwünsche in der Bürgerbuszentrale gesammelt, mit einer speziellen Software erfasst und und dann via Internet auf das im Bus befindliche iPad übertragen. Das iPad enthält zudem eine Navigationssoftware, welche den Fahrer zum Ziel leitet.

Das Internet vereinfacht auch den gemeinschaftlichen Gebrauch von Dingen und und ist der Grund, warum der neue Konsumtrend „Nutzen statt Besitzen“ populär geworden ist. Noch nie war es so leicht, Anbieter und Nachfrager zusammenzubringen, um Schlafcouchs, Kleinkredite, Kleider, Gemüsebeete oder eben Autos zu teilen, womit wir schon beim dritten Schlagwort „Shared“ wären. Carsharing klappt gut in Städten ab 20.000 Einwohnern, auf dem Land ist es aber leider kein Selbstläufer. Das Dorfauto braucht hier Unterstützung von der Kommune oder größeren Betrieben, die dieses Mobilitätsangebot auch selber als Dienst- oder Firmenwagen nutzen können. Ein interessanter Mobilitätspartner sind dafür die Energieunternehmen, die ihre Marktchancen in der Elektromobilität (viertes Schlagwort) immer mehr erkennen und auch den Ausbau von Stromtankstellen und Solar-Carports fördern. In der Eifel wurde das Elektro-Auto für das LEADER-Projekt E-ifel mobil vom regionalen Energieversorger 2013 zu Verfügung gestellt, in Oberreichenbach (2.748 Einwohner) im Schwarzwald konnte so 2012 das erste Elektro-Bürgerauto Deutschlands losfahren. In Zukunft könnten Elektroautos selbst zu Tankstellen werden und dann die klassischen Stationen ersetzen. Die Tankstelle der Zukunft hat vor kurzem Nissan vorgestellt. Über den E-Bike-Boom haben wir ja schon einmal im Artikel über Das Landrad berichtet.

Neben dem Carsharing ist für den ländlichen Raum das organisierte Mitfahren (Ridesharing) wie die MiFAz oder flinc interessant. Die gute alte Fahrgemeinschaft hat das Mobiliätsnetz im Spessart wieder zum Leben erweckt, wo das Angebot Bürger fahren Bürger in Kooperation mit dem Malteser Hilfsdienst 2015 entwickelt wurde. Es setzt auf ehrenamtliche Fahrer, die zu ausgewählten Zeiten und zu ausgewählten Zielen einen Fahrdienst mit dem eigenen Pkw anbieten. Anders als beim Bus oder Anruf-Sammel-Taxi wird der Fahrgast von Tür zur Tür gebracht. Die Kosten für die Fahrt wie auch die Anfahrt zum Fahrgast wird mit 30 Cent pro Kilometer monatsweise erstattet.

Nach ähnlichem Prinzip wurde 2013 das Modell Mobilfalt in Nordhessen gestartet, wo jeder Autobesitzer in den drei Pilotregionen Sontra (7.513 Einwohner)/Nentershausen (2.689 Einwohner)/Herleshausen (2.821 Einwohner, als Zweckverband interkommunaler Zusammenarbeit) und Witzenhausen (14.701 Einwohner) im Werra-Meißner-Kreis sowie Niedenstein (5.291 Einwohner) im Schwalm-Eder-Kreis eingeladen ist, zum Anbieter von Fahrten zu werden und so die fahrplangebundenen Systeme wie Busse und Bahn um Autofahrten zu ergänzen. Der Ein- und Ausstieg erfolgt an den ÖPNV-Haltestellen, die mit weiteren Mobilfalt-Haltestellen ergänzt werden sollen. Um die Beförderung zu garantieren, übernimmt der Nordhessischen Verkehrsverbund deren Organisation und finanzielle Unterstützung. Stehen keine privaten Anbieter zur Verfügung oder fallen diese aus, werden Taxen, Mietwagen oder der Bürgerbus eingesetzt.

Die Vernetzung von Mobilität und Verkehrsmitteln macht auch deutlich, dass es die grundsätzliche Entscheidung zwischen Auto oder Bus längst nicht mehr gibt. Vielmehr hängt die Verkehrsmittelwahl vom Fahrtzweck und vom Ziel ab. Darauf müssen die Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbünde reagieren und in der logischen Folge einen umfassenden Mobilitätsverbund mit den individuellen Verkehrsmitteln und Mobilitätsdienstleistungen bilden, was der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen richtig als Zukunftsaufgabe thematisiert hat: Kunden erhalten über eine gemeinsame Angebots- und Abrechnungsplattform (einheitliche Benutzeroberfläche wie etwa die oben beschrieben App moovel) Zugang zu einer Vielzahl von lokalen Mobilitätsangeboten einschließlich ÖPNV, Bürgerbus, Carsharing, Leihfahrräder oder Taxi. Nur das kann eine Alltagsmobilität ohne privaten Auto-Besitz und ohne Mobilitätseinschränkungen ermöglichen.

Zu guter Letzt noch das autonome Fahren, die Königsdisziplin vernetzter Mobilität. Das selbstfahrende Auto verspricht mehr Komfort und Effizienz. Denn wenn der Computer steuert, muss man nicht mehr lenken, bremsen und aufpassen. Der Pendler kann die Zeit „hinter dem Steuer“ für Büroarbeit oder andere Dinge nutzen. Statt Taxifahrer kommt die automatisierte Taxe auf Abruf oder der Mietwagen kommt einfach selber zum Kunden. Das private Auto parkt selbstständig im Parkhaus, um uns bei Bedarf abzuholen oder in Kolonnen effizient auf der Autobahn zu fahren. Bedarfsorientierte Minibusse bringen die Nutzer dann flexibel und autonom von A nach B.

Klingt noch zu sehr nach Zukunftsmusik? Neben den traditionellen Autobauern sind auch Google oder Apple in diesem Bereich bereits aktiv. Erst vor kurzem wurde ein Abschnitt der Autobahn A9 als Teststrecke für autonomes Fahren freigegeben. Wenn es jedoch um mehr geht, als Geradeausfahren, Abbiegen, Bremsen und Verkehrszeichen erkennen, gibt es noch technische Probleme und auch die Erkennung von spontanen Gesten wie Winken, Kopfschütteln oder Kopfnicken läuft noch ziemlich fehlerhaft. Groß sind auch die juristischen Probleme. Denn wer ist Schuld, wenn es doch zum Unfall kommt? Kann dafür der Computer haftbar gemacht werden? Überraschend wurde jetzt Anfang des Jahres aus den USA gemeldet, dass die dortige Transportbehörde NHTSA künftig Computer als Fahrer eines Autos definieren will.


Bildnachweis: © noxmox – Fotolia.com

 

Von Jens Lilienbecker

Was? Wie? Warum? Bei unserem Büro für Geographie und Kommunikation beschäftige ich mich mit gesellschaftlichen Trends und zeige auf Zukunft der Region Chancen und Potentiale für Regionen und Gemeinden im ländlichen Raum.

2 Kommentare

  1. Die Beispiele finde ich sehr gut. Was halten Sie von einer sog. Mitfahrerbank an den Bushaltestellen. Für uns Reichertshofener wäre dies in Richtung Ingolstadt und Richtung Pfaffenhofen eine gute Möglichkeit andere Personen kostenlos mitzunehmen.
    Dieses Beispiel habe ich in einer Zeitung gesehen. (Weis nicht mehr in welcher)

    1. Lieber Herr Schweigard,
      die Idee einer Mitfahrerbank ist sehr gut. Ursula Berrens hat sie in der Eifel-Gemeinde Speicher (3.270 Einwohner) initiiert, damit vor allem ältere Leute gut zum Arzt oder Einkaufen kommen können. Diese Sitzbänke stehen an zentralen Stellen im Ort. Dort kann man ein Richtungsschild in die gewünschte Richtung umschlagen und dadurch anzeigen, dass man mitgenommen werden möchte. Ein Bild von Mitfahrerbank finden Sie hier: http://www.caritas.de/magazin/kampagne/stadt-land-zukunft/loesung/spontan-und-sicher-von-a-nach-b-kommen-d
      Viele Grüße von Jens Lilienbecker

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