Der Friedhof der Zukunft

Urnen statt Erdbestattung, Friedhöfe nur für Frauen, Tierfreunde oder Fußballfans. Ebenso wie unsere Gesellschaft befindet sich die Bestattungskultur im Wandel. Denn zum einen häuft sich der Wunsch nach einer weniger aufwendigen und weniger teuren, manchmal sogar anonymen Urnengrabbestattung. Andererseits gibt es das Bestreben, auch über den Tod hinaus als Teil einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe klar erkennbar zu sein.

Stark im Kommen sind auch Baumbestattungen im Friedwald oder im Ruheforst, was mit der romantischen Sehnsucht nach Wald und Natur sowie dem gestiegenen Umweltbewusstsein erklärt wird. Dabei ruht die Asche des Verstorbenen in biologisch abbaubaren Urnen an den Wurzeln eines Baumes, mitten in einem genehmigten Bestattungswald. Auch spielt das Internet eine immer größere Rolle und sogenannte virtuelle Friedhöfe und digitale Gedenkseiten bieten neue Möglichkeiten zum Trauern und Erinnern. Haben die alten Friedhöfe also ausgedient?

„Die Mobilität ist einer der ganz entscheidenen Faktoren, die unsere Bestattungs- und Friedhofskultur verändert haben und verändern werden. Das Grab kann für viele Menschen nicht mehr der Lebensmittelpunkt sein. Wer hat noch die Segnung, wenn man so sprechen darf, in einem Ort geboren zu sein, dort zu leben und dann dort auch zu streben. Nein, meistens haben irgendwelche mehr oder weniger verrückte, erzwungene, geschenkte Biographien, die uns nicht nur durch das Land, sondern auch durch die Welt führen und es ist dann wirklich immer mehr die Frage: Wo soll denn eigentlich mal mein Grab sein? Und da gewinnen natürlich solche zentralen Orte – das kann eben tatsächlich ein bestimmter Wald sein, der mir sympathisch ist, ein bestimmter Ort, mit dem ich verbunden bin, das kann auch eine soziale Gemeinschaft sein, die mir wichtig ist – wo ich sage: Jawohl, das ist ein Stück Anker, an dem ich mich festhalte. Diese Beweglichkeit, die unser Leben heute prägt, die erlaubt eben nicht mehr die Pflege einer herkömmlichen Friedhofskultur,“ erklärt der Direktor des Museums für Sepulkralkultur in Kassel, Prof. Reiner Sörries auf LexiTV, dem Wissensmagazin des MDR.

Um nicht ins wirtschaftliche Minus zu geraten oder allmählich zu groß zu werden, weil die Urnenbestattungen ja weniger Platz benötigen, müssen die Friedhöfe der Kommunen und der Kirchgemeinden auf die Veränderungen in der Bestattungskultur reagieren und Alternativen zum bisherigen Einzelgrab anbieten.

Das Thema traf auch den Nerv im mittelhessischen Ehringshausen (9.224 Einwohner) bei Wetzlar und war in allen neun Ortsteilen mit insgesamt acht kommunalen Friedhöfen ein wichtiges Anliegen. Im Rahmen des Integrierten kommunalen Entwicklungskonzeptes (IKEK), das wir 2013 erarbeiten durften, wurde der „Friedhof der Zukunft“ in einer eigenen Projektgruppe ausführlich diskutiert und Vorschläge dazu erarbeitet. Die Friedhofsverwaltung hat daraufhin in Abstimmung mit den Ortsbeiräten die Friedhofsatzungen und Lagepläne so angepasst, dass zukünftig alle Bestattungsformen in der Gemeinde angeboten werden können, sofern es die örtlichen Gegebenheiten erlauben. Auch pflegefreie Rasenurnengräber und die neue Form der Baumbestattung sind nun an einzelnen Standorten möglich.

Dabei ging es den Bürgern nicht in erster Linie um die Kosten. Vielmehr machten sie sich Sorgen, dass ihr Grab ungepflegt sein könnte. Im Nachhinein bedauerten auch viele die anonyme Beisetzung. Ihnen fehlte ein zeitgemäßer “Ort des Gedenkens”, wo man inne halten, sich an seine Verstorbenen erinnern und trauern kann. Um die Bedeutung und die Achtung, die solch einer besonderen Stelle entgegen gebracht wird, zu unterstreichen, wurde eine gärtnerische und künstlerische Gestaltung vorgeschlagen, die attraktiv und tröstend ist.

Bildnachweis © eyetronic – Fotolia.com

Von Jens Lilienbecker

Was? Wie? Warum? Bei unserem Büro für Geographie und Kommunikation beschäftige ich mich mit gesellschaftlichen Trends und zeige auf Zukunft der Region Chancen und Potentiale für Regionen und Gemeinden im ländlichen Raum.

2 Kommentare

  1. Ich sehe es als wichtig an, dass die Hinterbliebenen eine Möglichkeit haben, die Grabstelle zu kennen und Dinge zum Gedenken niederliegen zu können.
    Dazu ist nur eine kleine Ecke an Platz nötig. Dazu sollte es auch grabnahe Sitzmöglichkeiten geben.
    Turnusmäßige allgemeine Gedenkfeiern am Friedhof ( Freiluft ist wichtig ) mit persönlicher Einladung der Hinterbliebenen würden die Akzeptanz neuer Konzepte erhöhen.

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