Das neue Schwarzwaldhaus

„Das wichtigste und schönste Element des Schwarzwaldes ist das Haus. Es gehört untrennbar zu dem Begriff ‚Schwarzwald‘. Photographiert man ein paar Tannen auf den grünen Weidbergen, vielleicht noch einige Kühe dazu, so könnte das Bild auch in jedem deutschen Mittelgebirge aufgenommen sein. Belebt man die Photographie aber zufällig oder absichtlich durch ein Haus, einen Schwarzwälder Hof mit gewaltigem Walmdach, einem Speicher und einer Mühle, womöglich einem Kapellchen, dann gibt es weder für den Einheimischen noch für den flüchtigen Sommergast den geringsten Zweifel: dieses Bild ist typisch schwarzwälderisch, denn nur das Haus verleiht dieser Land­schaft jene heimeligen Reize, die sie für den Fremden zu einem beliebten Reiseland und für den Schwarzwälder so recht zur Heimat machen“, hat der Zimmermann, Architekt, Hochschullehrer, Heimatforscher, Gründer und ehemalige Museumsleiter des Schwarzwälder Freilichtmuseums Vogtsbauernhof Hermann Schilli bereits 1960 in der Zeitschrift „Badische Heimat“ des gleichnamigen Landesvereins geschrieben.

Das Schwarzwaldhaus ist eine Spitzenleistung europäischer Holzbaukunst. Es zeugt von 500 Jahren ländlicher Kultur und dem bisweilen harten Leben „auf dem Wald“. Doch anders als der Bollenhut, die Kuckucksuhr und die Kirschtorten scheint das alte traditionelle Bauernhaus, wo Wohnhaus, Stall und Lagerraum wegen der kurzen Wege unter ein Dach zusammengefasst sind, den heutigen modernen Ansprüchen nicht mehr zu genügen. Heute wird kaum noch so gebaut und das „alte G´lump“ verschwindet mehr und mehr aus der Landschaft. Droht die beliebte Urlaubsregion ihr Gesicht zu verlieren?

Die Frage steht in Zusammenhang mit dem Rückgang der Landwirtschaft und der Verwaldung in den Höhenlagen und hat schon einige Tagungen in den beiden Naturparken Mitte/Nord und Süd beschäftigt. Um Ansatzpunkte für eine neue, regionaltypische Architektur zu finden, wurde von der Architektenkammer Baden-Württemberg 2010 ein Architekturpreis Neues Bauen im Schwarzwald ausgelobt und die ausgezeichneten Objekte in einer Broschüre dargestellt. Vorbild für die moderne Holzbaukultur ist natürlich der Bregenzerwald in Österreich.

Ein echtes Schwarzwaldhaus mit modernen Komponenten ist im August 2015 in Gerodsau (ca. 1.000 Einwohner), einem Stadtteil der berühmten Kur-, Bäder-, Medien-, Kunst- und Festspielstadt Baden-Baden eröffnet worden. Die Geroldsauer Mühle ist ein Musterbeispiel für Regionalität und die multifunktionale Verknüpfung von Wirts- und Gasthaus mit Mühlenmarkt, Eventagentur und Naturparkdauerausstellung unter einem (Schwarzwald-)Dach. Das Gebäude wurde aus 500 Festmetern heimischer (Weiß-)Tanne, dem Charakterbaum des Schwarzwaldes, als eines der größten Holzhäuser Deutschlands gebaut. Für die Energiegewinnung sind eine Photovoltaik-Anlage, eine Luft-Wärmepumpe und eine Wasserkraftanlage im Einsatz. Die Grundidee für dieses Mammutprojekt war ein Markt für Bauernprodukte, auf die der Bauherr und Nebenerwerbslandwirt Martin Weingärtner bei einem Informationsabend des Naturparks Anfang 2013 kam. Seine Highländer ziehen im Geroldsauer Tal über die Streuobstwiesen.

Rund 85 Erzeuger aus dem Schwarzwald und dem Vorgebirge beliefern nun den Mühlenmarkt mit regionalen und biologischen Lebensmitteln. Für ordentlich Kundenfequenz sorgen die Metzgertheke mit dem Biofleisch der schottischen Hochlandrinder und weiteren Echt-Schwarzwald-Produkten sowie die Bäckerei Dreher aus der 60 Kilometer entfernten Stadt Gengenbach (10.730 Einwohner). Das Highlight ist die verglaste richtige Backstube mit Holzbackofen, wo täglich ein Bäcker das Holzofenbrot vor Ort knetet und bäckt und die Konditorin laufend leckere Köstlichkeiten zubereitet. Hauptberuflich ist Weingärtner jedoch Energieunternehmer und Geschäftsführer der Unternehmensgruppe Weingärtner, wodurch sich die Investitionskosten von 13 Millionen für das „Familienprojekt“ darstellen lassen. Der Bruder Roland ist Zimmermann und hat die komplette Holzkonstruktion ausgeklügelt und gebaut. Auch die erwachsenen Zwil­lingssöhne Peter und Felix haben tatkräftig mit angepackt.

Wir waren vor Ostern dort und waren begeistert von diesem schönen Haus, es ist echte Handwerkskunst. Jedes Detail sorgfältig gearbeitet, alles perfekt ausgetüftelt. Und die Holzkonstruktion ein Meisterwerk. Das hat wirklich Wert! Das gastronomische Konzept stellen wir Ihnen in 14 Tagen vor.


Bildnachweis ©Henrik Morlock http://www.morlock-fotografie.de

Von Jens Lilienbecker

Was? Wie? Warum? Bei unserem Büro für Geographie und Kommunikation beschäftige ich mich mit gesellschaftlichen Trends und zeige auf Zukunft der Region Chancen und Potentiale für Regionen und Gemeinden im ländlichen Raum.

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