Die interkommunale Kooperation

Wenn sich zwei oder mehrere Gemeinden freiwillig zusammentun, wird das etwas sperrig „interkommunale Zusammenarbeit“ genannt und ist immer dann sinnvoll, wenn Aufgaben gemeinsam besser bewältigt werden können als alleine.

Vom Nutzen dieser gemeinsamer Aufgabenerledigung wussten schon die mittelalterlichen Hansestädte und im ländlichen Raum waren Justingen, Ingstetten und Hausen wohl die ersten Gemeinden, die gemeinsam am 20. November 1869 eine Wasserversorgungsgruppe auf dem wasserarmen Karstgebirge der Schwäbischen Alb gegründet haben. Spannend ist diese Pioniertat im historischen Roman von Josef Weinberg „Der Schultheiss von Justingen“ oder auch auf Wikipedia nachzulesen.

In unserer Zeit wird interkommunale Zusammenarbeit sogar als „Gebot der Stunde“ eingestuft und postmodern als zukunftsweisende Strategie interpretiert, um komplexe Themen in Eigenregie (kommunale Selbstverwaltung) anzugehen, die nicht mehr an der Gemeindegrenze halt machen. Wie etwa die demographische Entwicklung, die Daseinsvorsorge, die Gewerbeentwicklung, das Flächenmanagement oder Zukunftsthemen wie Digitalisierung und Erneuerbare Energien. Und genau genommen kann die Zusammenarbeit von Kommunen einfach auch als eine Form von regionaler Kooperation verstanden werden, die aber eher kleinräumig ist und bei der die Gemeindeoberhäupter die Hauptakteure sind. Die beste Übersicht an guten Bespielen aus ganz Deutschland ist beim Wettbewerb kommKOOP zu finden, der schon 2005 und 2006 stattfand.

Um dem innovativen Charakter auf die Spur zu kommen, sollte man „harte“ (Planungsverband, Zweckverband) von eher „weichen“ Ausprägungen (Arbeitskreis, Arbeitsgemeinschaft, Regional-Forum/Konferenz, Verein, Entwicklungsagentur etc.) unterscheiden. Die weichen Kooperationsformen verbindet, dass sie gemeinsam formulierte Zielvorstellungen nicht planungsrechtlich verbindlich festlegen können – also auf die Selbstbindung der Mitwirkenden vertrauen müssen. Der Vorteil ist aber, dass sie netzwerkartig kooperieren und damit flexibler und dynamischer sind, um gemeinsam neue Lösungen und Kompromisse („Win-win-Lösungen“) zu finden, hat der bedeutende Planungstheoretiker Dietrich Fürst bereits grundsätzlich ausgeführt, zum Beispiel im Aufsatz Region und Netzwerke von 2002.

Typisch für Netzwerkorganisationen ist der doppelte Bezug nach innen und nach außen. Darauf hat Prof. Mark Michaeli von der Technischen Universität München (TUM) auf Rückfrage per E-Mail am 9. August 2017 in Zusammenhang mit den Gemeindekooperationen hingewiesen:

„Es gilt also Allianzen zu bilden, die einerseits nach innen wirken, das heißt durch Aufgabenteilung und Nutzung von Synergieeffekten die Kommune entlasten und zusätzlich die Möglichkeit der Professionalisierung eröffnen. Andererseits ermöglichen die neuen Netzwerke die Stärkung nach außen, in dem sie koordinierend und abgestimmt den überkommunalen Verbund auf Augenhöhe mit externen Partnern verhandeln lassen“.

Ein Blick in den Süden von Deutschland lohnt sich besonders, weil in Bayern die Gemeindestruktur ähnlich wie in Rheinland-Pfalz und in Schleswig-Holstein noch sehr kleinteilig ist und es hier die meisten kommunalen Kooperationen gibt. Zudem hat der Freistaat 2005 das Programm der „Integrierten Ländlichen Entwicklung“ (ILE) aufgelegt, über das die Erarbeitung von Konzepten und die spätere Begleitung gefördert werden. Bis zum Stand Februar 2017 haben sich 837 Gemeinden in 103 ILE-Prozessen organisiert, das entspricht rund 40 Prozent aller bayerischen Gemeinden (gerechnet inklusive der Städte, die auch als selbstständige Gemeinden zählen).

Da passt es gut, dass der TUM-Professor mit weiteren Wissenschaftlern in einer aktuellen Studie aus dem Jahr 2016 das Förderinstrument und die Rolle der „Ämter für ländliche Entwicklung“ (früher Flurbereinigung) kritisch unter die Lupe genommen hat und einen deutlichen Nachholbedarf bei der Umsetzungsorientierung sieht sowie schnelle Projekterfolge fordert. Das ist wichtig, um den Kooperationsprozess dynamischer zu machen und eigentlich aus der Regionalentwicklung schon lange bekannt.

Zur Vereinfachung der interkommunalen Kooperation sollte das Netzwerk nicht nur nach innen, sondern auch nach außen flexibel sein, lautet ein weiterer Hinweis. Zum Beispiel, um mit benachbarten Städten und Gemeinden zusammenzuarbeiten, wenn es für bestimmte Projekte Sinn macht. Oder um den passenden Raumzuschnitt zu finden, damit das jeweilige Thema zweckmäßig bearbeitet werden kann, weil sich die zu lösenden Aufgaben eben mehr an den Menschen und ihren Lebensweisen (funktionale Verflechtungen), weniger an administrativen Grenzen orientieren. Allerdings ist solch eine Flexibilität und damit eine Lockerung des Territorialprinzips in den Fördervoraussetzungen bisher nicht vorgesehen und hat ja immer auch mit dem Ressortdenken von Behörden und Verwaltungen zu tun.

Da hilft nur, externe Kooperationspartner (Wirtschaftsförderung, Regionalmanagement, Städtebauförderung, Naturpark, Tourismusverband, LEADER-Management, regionale Initiativen) von Anfang an einzubinden und eine klare Aufgabenteilung zu vereinbaren, um das Nebeneinander von unterschiedlichen Konzepten in der Gesamt-Region zu vermeiden und auch um zu verhindern, dass die Kooperation als „Konkurrenzgebilde“ wahrgenommen wird.

Anzumerken ist jedoch, dass in der Studie die Beteiligung und aktive Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger beim Kooperationsprozess ausgespart wurde. Nach unserer Erfahrung kann dies die Qualität der interkommunalen Zusammenarbeit deutlich steigern.


Bildnachweis Jan Kobel Fotografie

Von Jens Lilienbecker

Was? Wie? Warum? Bei unserem Büro für Geographie und Kommunikation beschäftige ich mich mit gesellschaftlichen Trends und zeige auf Zukunft der Region Chancen und Potentiale für Regionen und Gemeinden im ländlichen Raum.

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