Die Bürgerwissenschaftler

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Sie sammeln Mücken, erforschen die Geschichte ihrer Kommune oder messen Klimaphänomene: Ünter dem Begriff „Citizen Science“ (Bürgerwissenschaft) arbeiten in Deutschland immer mehr Forschungseinrichtungen mit interessierten Bürgern zusammen und bringen so unsere Wissensgesellschaft voran. Das klingt nach einer neuen Erfindung, ist aber eigentlich ein bewährtes Konzept. Denn bereits vor Jahrhunderten gab es Laien- und Heimatforscher, die zu wissenschaftlichen Erkenntnissen beitrugen, indem sie Naturphänomene erforschten oder sich an Vogelzählungen beteiligten. Mitunter sind darunter auch idealistische Tüftler, die so ihr geniales Spezialwissen einbringen.

Durch das Internet und neue digitale Technologien haben sich die Möglichkeiten in den letzten Jahren stark erweitert. Smartphone-Apps, QR-Codes und mobile Sensoren erlauben eine schnelle, digitale Erfassung und Weiterleitung des ehrenamtlich generierten Wissens an zentrale Datenbanken. Auch steigt das Bedürfnis der Bürger, an der Forschung beteiligt zu werden – von der Definition neuer Forschungsfragen über die Konzeption von Projekten bis hin zur Auswertung und Veröffentlichung.

Was es für Wissenschaftler bedeutet, mit Bürgern zusammenzuarbeiten, erklärt Prof. Johannes Vogel, Generaldirektor am Museum für Naturkunde Berlin und treibende Kraft hinter der Bewegung, im Video anschaulich auf der Online-Plattform Bürger schaffen Wissen:

„Meistens bedeutet es, unheimlich viel Anregung, unheimlich viel Spaß, neue Erkenntnisse, neue Netzwerke und ganz viel zusammen machen. Für die Bürger bedeutet es, ganz viel zusammen machen, ganz viel Spaß, etwas lernen, sich selber weiterzubilden, aber eben halt auch sich selbst bewusst zu werden, dass Wissenschaft nicht etwas ist für Männer in weißen Kitteln, sondern dass wir alle daran teilhaben können. Ich glaube, dass wir als Menschen alle als Wissenschaftler geboren sind. Wir sind neugierig, wir beobachten, wir sind interessiert. Das sind Grundvoraussetzungen, um Wissenschaftler zu sein. Deswegen glaube ich, dass alle Bürger bei Wissenschaft mitmachen können.“

Die genannte Online-Plattform zeigt die Vielfalt der Citizen-Science-Projekte in Deutschland, die beispielsweise in der Umweltforschung (www.mueckenatlas.de, www.tagfalter-monitoring.de, www.nabu-naturschutztauchen.de, www.ornitho.de, www.artenfinder.de, www.naturgucker.de), in der Gesundheitsforschung (www.migraene-radar.de, www.ifp.bayern.de/projekte/monitoring/meilensteine.php), in den Geisteswissenschaften (www.artigo.org, http://gov.genealogy.net, www.altes-leipzig.de) oder in der Stadtentwicklungsplanung (www.envirocar.org, www.verlustdernacht.de, www.portal-beee.de/fuechse-in-der-stadt.html, www.expedition-muensterland.de) tätig sind. Derzeitig sind mehr als 70 Projekte registriert. Sie haben wenige bis zu mehrere Tausend Mitwirkende im Alter von 8 bis 80 Jahren.

Dass ein Bürgerwissenschaftsprojekt auch zur Pofilierung und Identität einer gesamten Region beitragen kann, macht das Archäologische Spessartprojekt (ASP) deutlich, das uns bei der Erarbeitung des ILEK Würzburger Norden und des IKEK Flörsbachtal über den Weg gelaufen ist. Neben der wissenschaftlichen Arbeit (archäologische Ausgrabungen, Forschungsprojekte) stehen beim ASP die Vermittlung der Kulturlandschaft (Kulturwege) und die Einbindung von Ehrenamtlichen aus den Gemeinden und örtlichen Vereinen im Vordergrund.

Citizen-Science-Projekte werden nun erstmals vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gezielt gefördert. Projektskizzen müssen dazu bis 31. Oktober 2016 vorgelegt werden. Für Schulklassen oder Jugendgruppen sind die Plastikpiraten aktuell interessant, die vom 16. September bis zum 18. November 2016 bundesweit Daten zu Kunststoffvorkommen an und in Fließgewässern erheben.

Bildnachweis © ZoneCreative – Fotolia.com

Von Jens Lilienbecker

Was? Wie? Warum? Bei unserem Büro für Geographie und Kommunikation beschäftige ich mich mit gesellschaftlichen Trends und zeige auf Zukunft der Region Chancen und Potentiale für Regionen und Gemeinden im ländlichen Raum.

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