In der Umweltpolitik werden neben Ge- und Verboten immer mehr marktwirtschaftliche Instrumente eingesetzt. Vorreiter war der Emissionshandel, der mit dem Kyoto-Protokoll 1997 auf internationaler Ebene beschlossen wurde. Die Europäische Union hat ihn 2005 als unternehmensbasierten Handel eingeführt und für den Ausstoß des schädlichen Klimagases eine Obergrenze beschlossen. Will ein Kraftwerk sich erweitern und mehr CO2 ausstoßen, muss der Betreiber neue Zertifikate kaufen. Damit ist der ökonomische Anreiz gegeben, möglichst wenig Kohlendioxid auszustoßen.
Dieses Prinzip soll jetzt beim Flächenverbrauch angewendet werden. Mithilfe von handelbaren Flächenzertifikaten möchte das Bundesumweltministerium die Kommunen zum sparsamen Umgang mit freier Fläche zwingen. Schließlich hat sich die Bundesregierung in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie das ehrgeizige Ziel gesetzt, den Flächenverbrauch bis 2020 auf 30 Hektar pro Tag zu begrenzen. Doch erreichen wird sie das voraussichtlich nicht. Laut Statistischem Bundesamt ist zwar der Verbrauch von Fläche in den letzten zwei Jahrzehnten gesunken, aber aktuell werden täglich 73 Hektar Fläche in Bauland umgewandelt – das entspricht etwa 100 Fußballfeldern.
Beim Flächenhandel soll jeder Stadt oder Gemeinde entsprechend der Einwohnerzahl eine bestimmte Anzahl von Zertifikaten zugeteilt werden. Will die Kommune neues Bauland ausweisen, muss sie dafür die entsprechende Menge Flächenzertifikate ausgeben. Reichen die zugeteilten Zertifikate nicht aus, kann sie weitere bei anderen Gemeinden zukaufen. Nimmt sie jedoch die ihr zugeteilte Menge an Zertifikaten nicht in Anspruch, kann sie diese verkaufen. Für den Bund liegt der Vorteil klar auf der Hand: Durch die Anzahl der handelbaren Zertifikaten kann er exakt bestimmen, wie viel freie Fläche jedes Jahr in Deutschland bebaut werden darf.
Ob das Instrument tatsächlich funktionieren kann und es den Wettbewerb unter den Kommunen nicht noch mehr fördert, wie Kritiker befürchten, wurde in einem Planspiel vom Umweltbundesamt 2015 getestet. Städte und Gemeinden in ganz Deutschland konnten sich freiwillig daran beteiligen. Ergebnis der Computersimulation: Der Quadratmeterpreis für den Zukauf von Flächenzertifikaten hat sich bei etwa 80 bis 100 Euro eingependelt. Gerade für kleine ländliche Gemeinden ist das eine hohe Hürde, wenn man bedenkt, dass Bauland auf dem Land pro Quadratmeter teilweise deutlich unter 50 Euro kostet.
Doch diese Verteuerung ist gewollt, sagt Peter Fritsch aus dem Bundesumweltministerium in der Sendung Hintergrund des Deutschlandfunks vom 24.10.2015:
„Eins ist ganz klar, wenn man insgesamt ein Gut verknappt – das wäre jetzt Fläche -, dann hat es ökonomische Konsequenzen. Und das heißt, wenn Bedarf da ist, dann wird darüber ein Wettbewerb stattfinden. Und die Idee des Flächenzertifikate-Handels ist, es zu verknappen, ein möglichst gerechtes und einfaches System zu finden, um diese Preisbildung zu ermöglichen und den Flächenverbrauch an die Stelle zu schieben, wo er auch wirklich erforderlich ist und nicht einem Ausweisen von Flächen Vorschub zu leisten, die auf dem Prinzip Hoffnung beruhen.“
Aber noch ist nicht geklärt, ob Flächenzertifikate mit dem Grundgesetz und der dort garantierten kommunalen Selbstverwaltung überhaupt vereinbar sind. Der Bund gibt ja nur einen informellen Rahmen für die Raumplanung vor. Bindend sind dagegen die Landesentwicklungs- und Regionalpläne – das eigentlich effektive Mittel, um den Flächenverbrauch zu lenken und zu begrenzen. Beispielsweise hat sich Nordrhein-Westfalen ein Fünf-Hektar Ziel verordnet und Baden-Württemberg will mittelfristig gar keine neue Fläche mehr versiegeln. Hingegen haben Bayern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, auch die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen bislang keine eigenen Einsparziele formuliert.
Auf eine andere Lösung setzt der Naturschutzbund Deutschland: eine Reform der Grundsteuer, die beim Geld der privaten Grund- und Immobilienbesitzer ansetzt. Mit der neuen sogenannten Bodenwertsteuer anstelle der bisherigen Grundsteuer würden nur noch Grund und Boden besteuert, nicht mehr darauf errichtete Gebäude. Dadurch würde die Steuer auf unbebaute Grundstücke steigen und ein Anreiz geschaffen, um verstärkt Baulücken zu schließen und Brachen zu nutzen, auf die man oft keinen direkten Zugriff hat.
Um die zunehmend sinnlose Konkurrenz bei der Flächenausweisung zu beenden, haben sich im Landkreis Rendsburg-Eckernförde in Schleswig-Holstein die 13 Kommunen Alt-Duvenstedt, Borgstedt, Büdelsdorf, Jevenstedt, Fockbek, Nübbel, Osterrönfeld, Rendsburg, Rickert, Schacht-Ausdorf, Schülldorf, Schülp b. Rendsburg, Westerrönfeld zusammengeschlossen und für ein gemeinsames Flächenmanagement bereits 2004 einen Kooperationsvertrag geschlossen. Als zusätzliches Element des Ausgleichs wurde ein Strukturfonds eingerichtet, der aus Beiträgen der Kommunen gespeist wird. Die Entscheidung darüber, wie und wofür die in dem Fonds angesammelten Mittel in sogenannten Leitprojekten eingesetzt werden sollen, ist Bestandteil des Interessenausgleichs. Der Fonds verfügt über ein jährliches Beitragsaufkommen von durchschnittlich 700.000 Euro. Ergänzt durch weitere Fördermittel liegt die Finanzkraft des Fonds bei jährlich rund 1,6 Millionen Euro. Für die Weiterführung wurde dann 2012 eine Entwicklungsagentur gegründet.
Bildnachweis © Petair – Fotolia.com