Unser Verständnis von Gesundheit hat sich in der letzten Zeit deutlich verändert. Während früher alles, was gesund war, keinen Spaß machte, nicht schmeckte und Opfer verlangte, gilt Gesundheit heute als erstrebenswert und ist Ausdruck der modernen Lebensqualität, wie Prof. Ilona Kickbusch in ihrem neu aufgelegten Buch Die Gesundheitsgellschaft erläutert. Sie war 1986 in der kanadischen Bundeshauptstadt dabei, als die Ottawa-Charta ein neues aktives Gesundheitsverständnis formulierte:
„Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen.“
Im Mittelpunkt steht dabei die Strategie, gezielt bestimmte Lebenswelten und -bereiche wie etwa Wohnungen, Betriebe, Schulen, Kindergärten oder Gemeinden gesundheitsförderlicher zu gestalten:
„Gesundheit wird von Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt: dort, wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben. Gesundheit entsteht dadurch, dass man sich um sich selbst und für andere sorgt, dass man in die Lage versetzt ist, selber Entscheidungen zu fällen und eine Kontrolle über die eigenen Lebensumstände auszuüben sowie dadurch, dass die Gesellschaft, in der man lebt, Bedingungen herstellt, die all ihren Bürgern Gesundheit ermöglichen.“ Zitiert aus der immer noch lesenswerten WHO-autorisierten Übersetzung.
Um diese Empfehlungen umzusetzen, gründeten 1989 neun Großstädte und ein Kreis das deutsche Gesunde Städte-Netzwerk. Doch die kleinen Gemeinden waren schneller, wo das Thema eigentlich auch besser passt und eine gute Profilierungsmöglichkeit darstellt. Bereits zwei Jahre früher entstand nämlich in der Steiermark mit den vier Gesunden Dörfern Anger, Gröbming, Markt Hartmannsdorf und Mureck der Vorläufer des österreichischen Netzwerks Gesunde Gemeinde, dem sich mittlerweile viele Orte angeschlossen haben. Gesunde Gemeinden unterstützen und stärken das Gesundheitsbewusstsein ihrer Bevölkerung und bemühen sich um die Schaffung gesundheitsfördernder Lebensbedingungen in ihrer Kommune. Nach einem Beschluss im Gemeinderat werden Arbeitskreise gebildet, die sich mit der Planung und Durchführung gesundheitsfördernder Aktivitäten befassen, wie z.B. Vorträge, Kurse, Projekte, Aktionstage, Stammtische in den Bereichen Ernährung, Bewegung, mentales Gesundsein, Vorsorge/Medizin und Umwelt/Natur.
Von den Österreichern ließ sich die Gemeinde Frankenheim (1.134 Einwohner) in der Thüringer Rhön infizieren. Durch eine Exkursion ins oberösterreichische Steinbach an der Steyr im Jahr 2003 war plötzlich alles ganz anders: Statt einem teurem Hallenbad wurde das erste gesunde Dorf Thüringens ins Leben gerufen, das wir im Rahmen eines Regionalen Entwicklungskonzeptes begleiten durften. Ein großer Kräutergarten, ein Kneipp-Kindergarten mit gesunder Mittagsverpflegung, ein Panorama-Barfußpfad, eine Gesundheitswoche, eine Gesundheitsscheune und ein Fitnessraum beim örtlichen Holztechnikbetrieb sind so entstanden.
Angesichts des demographischen Wandels und des drohenden Ärtzemangels sind regionale Versorgungsnetze ein immer wichtiger werdendes Thema im Sinne der Daseinsfürsorge. Um regional eine größere Verantwortung für das Gesundheitswesen wahrzunehmen und die Handlungsmöglichkeiten zu erweitern, wurden in Deutschland Gesundheitskonferenzen bzw. Runde Tische entwickelt. Derzeit bestehen 130 Gesundheitskonferenzen für rund ein Drittel der Kreise und kreisfreien Städte in 13 Bundesländern. In Bayern liegt ab 2015 der Schwerpunkt auf dem Konzept Gesundheitsregionenplus, womit ausgewählte Landkreise und kreisfreie Städte finanziell unterstützt werden.
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