Heimat reloaded

„Wenn Heimat nur als Ort der Geburt oder als Vergangenes empfunden wird, kann sie diskriminierendes Potential freisetzen und zu Ausschließung führen“, hat der Kulturwissenschaftler Professor Walter Leimgruber bereits 2017 im Tagesspiegel geschrieben und daraus die Konsequenz gezogen: „Genau wie die Heimat, muss auch unsere Definition von ihr sich wandeln.“

Um solch ein Heimat reloaded, also die Neuformulierung der Heimat geht es einer neuen Projektreihe der Fichtelgebirgsmuseen, die mit neuen, zeitgemäßen Kulturformaten junge Leute zum Mitmachen bewegen und dem angestaubten Heimat-Begriff neues Leben einhauchen will. Zum Auftakt am 4. Januar fand ein „Volxtanzworkshop“ statt, bei dem man traditionelle Tänze für die nächste Kirwa lernen konnte. Abends folgte ein Tanzabend mit den Livemusikern „Hix Tradimix“ und „Die Höidlbrummer“. Für den 29. Februar ist ein „Volxmusikworkshop“ mit jungen Musikern aus der Region und ein Konzert der Kultband „Mahrsmännchen“ geplant. Coole Fichtelgebirgsküche steht dann am 11. Juli und am 16. Oktober der Poetry-Slamworkshop „Landlust oder Landfrust“ mit der Profi-Slammerin Pauline Füg auf dem Programm.

Außerdem wird im Frühjahr ein Ideenkongress stattfinden, in dem es um das Sammeln von Ideen und die Vorstellung erfolgreicher junger Heimatprojekte geht. Und als weiterer Teil soll die sogenannte „Fichtellounge“ entstehen: Das Fichtelgebirgsmuseum möchte Projekten von jungen Vereinen und Initiativen Sitzgelegenheiten und eine mobile Outdoor-Küche mit Grillmöglichkeiten zum Verleih zur Verfügung stellen.

Das könnte auch der Literaturwissenschaftlerin Susanne Scharnowski gefallen, die in ihrem neuen Buch Heimat versucht, mit Missverständnissen in der historischen und aktuellen Verwendung des Begriffes aufzuräumen. Etwa der Behauptung, Heimat sei von den Romantikern erfunden und stehe in direkter Linie zur Blut-und-Boden-Ideologie der Nationalsozialisten. Oder dass die deutsche Heimat viel mit Nation und Staat zu tun habe, wie immer wieder unterstellt wird. (Seite 11)

Aus Sicht der Regionalentwicklung ist vor allem ihr Plädoyer für ein zeitgenössisches Verständnis („kosmopolitischer Provinzialismus“) interessant, wonach Heimat kein subjektives Gefühl oder für jeden etwas anderes ist, sondern vielmehr ein lokalisierbarer Ort mit materiellen und konkreten Lebensbedingungen, die dazu beitragen, ob eine Gemeinde, eine Stadt oder eine Region überhaupt als Heimat erlebt werden können.

„Heimat ist eben nicht bloß Wirtschaftsstandort, Arbeitsstelle oder Marktplatz, sondern ein Ort mit sozio-kultureller Dimension und Träger emotionaler Bedeutung. Heimat ist damit ein Gegenpol zu den multiplen Kräften der Entfremdung und muss gegebenenfalls auch vor ihnen beschützt werden. Heimat in diesem Sinn liegt zwar im Verantwortungsbereich jedes Einzelnen, der sich seine Heimat über die Zeit zu eigen macht, kann aber nur gemeinschaftlich gestaltet und erhalten werden.“ (Seite 235)


Foto: Florian Miedl

Von Jens Lilienbecker

Was? Wie? Warum? Bei unserem Büro für Geographie und Kommunikation beschäftige ich mich mit gesellschaftlichen Trends und zeige auf Zukunft der Region Chancen und Potentiale für Regionen und Gemeinden im ländlichen Raum.

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