Derzeit dürfte es wohl kaum ein Thema geben, das die Menschen mehr beschäftigt als der dramatische Artenschwund (z. B. aktuelles Volksbegehren Rettet die Bienen!). Doch gerade in intensiv bewirtschafteten Gebieten mit knapper Fläche und hohen Bodenpreisen (wie im Würzburger Norden) hat der Naturschutz zunehmend Schwierigkeiten, überhaupt noch Flächen zu finden, hat der Agrarreport 2017 gewarnt.
Doch was folgt daraus? Für den Biologen Prof. Christoph Künast eine möglichst effiziente Nutzung bereits vorhandener Flächen, wie Straßenböschungen, Wegränder, Verkehrsinseln, Bahndämme oder Grasflächen. Die sogenannten Eh-da-Flächen unterliegen weder einer (land-)wirtschaftlichen Nutzung noch einer naturschutzfachlichen Pflege. Sie können aber ökologisch aufgewertet werden und beispielsweise als Grün- und Blühfläche neuen Lebensraum für Wildbienen bieten. Auch Rohboden- und Ruderalflächen, Busch- und Gehölzsäume, Altholz und Holzlagerstätten oder Lesesteinhaufen und alte Mauern sind ökologisch sinnvoll.
Nach den Anfängen in Rheinland-Pfalz ab 2012 mit ersten Flächenerhebungen, einer Potenzialstudie und einem Pilotprojekt 2014 ist der Begriff schnell populär geworden. Doch der saloppe Namen verweist auch auf ein Handlungspotenzial, wie der Professor in der SWR-Sendung Kaffee oder Tee am 29. 8. 2018 erläutert hat:
„Ich war mit einem Kollegen zusammengesessen und wir haben uns über die vielen, vielen Kleinflächen in der Kulturlandschaft unterhalten. Wegbegleitend, Dämme, Böschungen, Verkehrsinseln usw. – da gibt es eigentlich keinen zusammenfassenden Namen. Jetzt waren wir beide aber in der Geschäftswelt vertraut und da gibt es den Begriff der Eh-da-Kosten. Eh-da-Kosten sind schon gebucht, also eh da. Aber man kann noch was entscheiden, was man endgültig damit macht. Das war die kleine Analogie: Die Kosten sind eh da, die Flächen sind eh da, aber bei beiden gibt es noch Entscheidungsfreiräume.“
Die ökologische Aufwertung der Agrarlandschaft und im Siedlungsbereich ohne zusätzlichen Flächenbedarf ist vor allem für Kommunen ein interessanter Ansatz, weil die Vielfalt das Lebensumfeld attraktiver macht. Die erste Eh-da-Stadt in Franken war Haßfurt (13.493 Einwohner), die sich an der Initiative 2016 mit 45 Maßnahmen beteiligte. Aber auch der Landwirt hat ökonomische Vorteile, wenn an seinen Ackerrändern mehrere Meter breite Streifen mit Wildblumen blühen.
Derzeit wenden mehr als 20 Kommunen das Eh-da-Konzept an (siehe jüngster Beitrag auf Stiftung Lebensraum). Ein Fahrplan für die Anlage ist im Praxisleitfaden mit Kostenbeispielen zu finden. Alles beginnt mit der Flächendetektion. Dabei werden zunächst am Schreibtisch Potenzialflächen gesucht, die für das Projekt in Frage kommen. Im zweiten Schritt folgen dann Begehungen und Gespräche mit den verschiedenen Behörden und Interessenten, in denen gezielt Maßnahmeflächen ausgewählt werden. Begleitet wird die Umsetzung von einer Erfolgskontrolle, die beobachtet, welche Arten und Lebensräume vorhanden sind und wie sich deren Zusammensetzung im Lauf des Projekts verändert.
Zwar zählen Gärten im strengen Sinn nicht zu den Eh-da-Flächen. Aber das Konzept kann auch private Gartenbesitzer anregen, einen Teil ihres „englischen Rasens“ umzugraben und dort artenreiche Blumenwiesen anzulegen. Vielleicht ließen sich damit auch die Gärten des Grauens ein bisschen eindämmen.
Foto: © RLP AgroScience, K. Ullrich