„Stellen Sie sich vor, Ihr Bus kommt in Zukunft direkt zu Ihnen und bringt Sie zum gewünschten Ziel – wann Sie wollen und wohin Sie wollen.“
Weil diese Idee echt attraktiv ist und eine neue, flexible Form der Mobilität im ländlichen Raum darstellt, wo man ja hauptsächlich auf den eigenen PKW angewiesen ist, hat das Göttinger Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation (MPIDS) angefangen, über die „Physik eines integrierten ÖPNV-Systems – dezentral – bedarfsgesteuert – vernetzt“ zu forschen, und nun ein System bedarfsgesteuerter Kleinbusse mit Namen EcoBus entwickelt, bei dem die Busse Fahrgäste einsammeln und wie beim Taxi von Tür zu Tür befördern. Der Zitat oben stammt von der Ecobus-Webseite.
Anders als beim Linienverkehr muss sich der EcoBus nicht an Linien, Fahrpläne oder Haltestellen halten – Werbeslogan: „Sie sind die Haltestelle.“ Stattdessen melden die Kunden entweder telefonisch oder per Web-App oder direkt übers Internet ihre Fahrtwünsche an. Das System sammelt alles auf einem Zentralcomputer, ein entsprechender Algorithmus verteilt die Aufträge dann so auf die verfügbaren Fahrzeuge, dass möglichst effiziente Fahrtrouten kombiniert werden können.
Derzeit wurde bzw. wird der EcoBus in zwei Pilotprojekten im Harz getestet, wo von der Einwohnerzahl, der Fläche, der Topografie und damit auch von der Mobilfunkabdeckung und vom Klima bzw. der Jahreszeit her die Bedingungen besonders anspruchsvoll sind.
Das erste lief seit 10. Juni 2018 für zwei Monate in Bad Gandersheim (9.858 Einwohner) und der Nachbargemeinde Kalefeld (6.451 Einwohner) parallel zu den Gandersheimer Domfestspielen. Fünf Mercedes Sprinter („Anton“, „Berta“, „Clemens“, „Doris“, „Emil“) mit acht Sitzplätzen waren im Einsatz, die genügend Platz bieten, um auch mal ein Fahrrad oder einen Rollstuhl transportieren zu können. Gefahren wurde täglich von acht bis 23 Uhr, montags bis freitags bereits ab sechs Uhr früh und in den Nächten Freitag/Samstag und Samstag/Sonntag bis zwei Uhr morgens. Ähnlich läuft es nun in der zweiten Pilotphase in einem deutlich größeren Gebiet im Oberharz, wo seit 11. August zehn EcoBusse für ein halbes Jahr rund um Goslar (41.785 Einwohner), Clausthal-Zellerfeld (15.523 Einwohner) und Osterode am Harz (21.985 Einwohner) fahren. Die Fahrpreise sind günstig und die gleichen wie in den Linienbussen des regulären öffentlichen Personennahverkehrs.
Im Grunde basiert der EcoBus auf der alten Idee von Anrufsammeltaxi oder Anrufbus – der Fachmann spricht von Ridesharing. Genau darauf bauen zur Zeit auch viele Startups (Uber, Moia, CleverShuttle usw.) und versuchen, Marktanteile zu erobern. Der EcoBus hingegen setzt auf die Zusammenarbeit mit dem Zweckverband Verkehrsverbund Süd-Niedersachsen und die Integration der bestehenden Mobilitätsanbieter der Region. Denn eigentlich braucht es gar nicht viel mehr neue Fahrzeuge auf unseren Straßen, Taxis sowie öffentliche und private Liniendienste sind im Überfluss vorhanden, meint der Leiter des EcoBus-Projekts Prof. Stephan Herminghaus im Deutschlandfunkvom 19.6.2018:
„Was man braucht, ist ein System, das all diese Bedarfe in geeigneter Weise orchestriert, sodass sie eben zusammenwirken und nicht jeder gegen jeder. Und was der Kunde sehen soll, ist eigentlich nur noch ein Angebot, bei dem er nicht mehr schauen muss, welchen Anbieter muss ich mir denn jetzt raussuchen, sondern der Kunde sagt nur noch, ich möchte von A nach B, und zwar entweder jetzt oder erst nachher um 15 Uhr, und das System macht den Rest und bietet ihm was an. Und wenn er dann auf „Buchen“ drückt, dann kommt ein Vertrag zustande mit diesem Gesamtsystem. Und das kann eigentlich nur funktionieren, wenn das unter der Ägide der Zweckverbände wie üblich, ich sag es noch mal, orchestriert wird als ein Gesamtsystem, das dann nach den üblichen Verfahrensregeln mit Ausschreibung und allem vonstatten geht, das ja gut eingespielt ist. Ich glaube, dass die Mobilität von morgen gar nicht anders organisiert werden kann, weil Mobilität ein Grundbedürfnis ist. Damit ist es ein Teil der Daseinsvorsorge und Daseinsvorsorge ist Sache der öffentlichen Hand. Das geht gar nicht anders.“
Übrigens war das erste Pilotprojekt in Bad Gandersheim gut angenommen worden und die Fahrgastzahlen haben sich während der zweimonatigen Dauer in etwa vervierfacht, hat uns der Professor auf Nachfrage am 16. August gemailt. Beim zweiten Pilotprojekt im Oberharz war die Akzeptanz laut seinen Angaben von Anfang höher, was wohl auch an der größeren Einwohnerzahl liegt. Zudem wurde hier die Zusammenarbeit mit den Taxibetrieben intensiviert und ein Teil der Busse wird nun von einem Konsortium von lokalen Taxifirmen betrieben. Und wie schon in Bad Gandersheim, ist auch hier der EcoBus voll ins Tarifsystem des ÖPNV (teilweise sogar mit Bahnanschluss: Niedersachsenticket) integriert.
Foto von C. Mischke/MPI-DS
Sehr geehrter Herr Lilienbecker,
ich finde das eine gute Idee. Wir benötigen auch in den ländlichen Gebieten eine Entwicklung, die auf mehreren Dimensionen eine Änderung unseres Verkehrsverhalten anstößt und dann zu einem anderen – nicht mehr ganz so individuellen – ich könnte auch sagen nicht ganz so ich-bezogenen – Mobilitästverhalten hinführt.
Überlegen Sie für unsere Region einen Prozess aufzusetzen?
Lieber Herr Nagel,
würden wir gerne. Sie können ja mal den Herrn Landrat fragen …
Viele Grüße
Jens Lilienbecker