Den deutschen Innenstädten drohen massive Leerstände. Doch der Strukturwandel im Handel wird sich am stärksten im ländlichen Raum auswirken, „da diese Städte und Gemeinden bereits heute ein oft unzureichendes Handelsangebot aufweisen“,
warnt eine aktuelle Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung vor den räumlichen Auswirkungen des Online-Handels auf Seite 64.
Wer es noch nicht mitgekriegt hat: Auf dem Land ist Online-Shopping auf dem Vormarsch – trotz langsameren Internetanschluss. Vor allem bei Multimedia/Elektronik/Foto, Bekleidung/Mode, Sportartikel/Hobby/Freizeit, Bücher/Zeitschriften/Schreibwaren, Uhren/Schmuck/Accessoires, Schuhe/Lederwaren und Haushaltswaren/Deko haben die Wirtschaftsprüfer von KPMG 2015 in Erfahrung gebracht. Nur Lebensmittel/Getränke und Kosmetik/Drogerie/Gesundheit kaufen wir nach wie vor eher lokal ein. Doch wer keinen Laden mehr um die Ecke hat, muss eben zum großen Supermarkt oder Discounter an der Ausfallstraße fahren, wodurch das Versorgungsnetz weiter ausdünnt wird.
Höchste Zeit also etwas gegen den Leerstand zu unternehmen. Das beste Beispiel dafür heisst Alwin und kommt aus der Südeifel in Rheinland-Pfalz – unsere geliebte Wirtschaftszeitschrift Brand eins hat es im Juli entdeckt. Beim „Aktiven Leerstandsmanagement Wittlicher Innenstadt“, so wird die Abkürzung ausgeschrieben, werden Menschen, die gern ein Geschäft eröffnen würden, mit den Eigentümern leerer Läden zusammengebracht. Die Mieter übernehmen ganz oder teilweise die Renovierung, dafür zahlen sie im ersten halben Jahr keine Miete, in den folgenden sechs Monaten eine geringere und erst nach einem Jahr die volle.
Bevor Katrin Schade von der Stadtverwaltung das Projekt im Oktober 2016 gestartet hat, standen in der Kreisstadt Wittlich (18.762 Einwohner) 40 der 225 Läden leer, jetzt nur noch 24. Wo mal ein Friseursalon war, hat die Genussecke eröffnet. In die frisch renovierte alte Posthalterei ist die Brasserie gezogen. Das „Café und Ambiente“ verkauft die Möbel, auf denen die Gäste sitzen. Und in der Zigarren-Lounge kann man Zigarren nicht nur kaufen, sondern auch gemütlich sitzen und rauchen. Auch ein Pop-up-Store zum Ausprobieren ist für 75 Euro/Woche im Programm. Einzige Bedingung: Öffnungszeiten!
„Dahinter steht immer auch die Idee, dass ein belebtes Haus die ganze Gegend aufwertet, ein leeres hingegen genau das Gegenteil bewirkt“,
hat die Journalistin Lisa Goldmann in ihrem Artikel gut beobachtet und auf die Wächterhäuser (Hauserhalt durch Zwischennutzung) in der Heldenstadt Leipzig verwiesen. Bereits 2004 begann man dort, marode Gründerzeitbauten innovativ neu zu nutzen, zum Beispiel für Werkstätten und Künstlerateliers.
Wer heutzutage einem leerstehenden Laden neues Leben einhauchen will, braucht Unterstützung und besondere Konditionen, wie eben bei der Gemeinschaftsinitiative Alwin. Aber auch ein bißchen (Leipziger Helden-)Mut für eine neue Herangehensweise: Denn nicht die Branche steht beim lokalen Wirtschaften im Vordergrund, sondern das Engagement und die innovative Idee für den Standort: Wie kann die Lebensqualität für die Menschen drumherum verbessert werden? Wie können neue oder wiederentdeckte Bedürfnisse (gesunde Lebensmittel, Einblick in Herstellungsprozesse, Bewusstsein für die Region) bedient werden? Wie lassen sich Onlinehandel und stationärer Handel intelligent miteinander verknüpfen?
„Lokal einkaufen“ kann in diesem Sinn auch als eine Strategie der Relokalisierung verstanden werden, bei der das Wirtschaften wieder stärker auf die lokalen Bedingungen ausgerichtet wird (ähnlich wie bei der solidarischen Landwirtschaft).
Foto von Mike Petrucci auf unsplash
Vielen Dank für Ihre Infos,
ich persönlich denke, dass es beim Thema Leerstand im Geschäftsbereich auch viel darum geht, dass die Eigentümer lieber ihre Räume leer stehen lassen, bevor sie bei den Mietpreisen zurückschrauben. Hohe Mieten und lange Einstiegs-Mietlaufzeiten sind für „Neugründer“ oft nicht tragbar. Aber auch hier ist die Tendenz vermutlich, wie überall im Finanzbereich, Geld, Geld, Geld. Wenn ich Räume in Haßfurt anschaue, dann sind die zu vermietenden Räume oft auch in einem miserablen Zustand, aber die Mietforderungen bis auf’s Höchste ausgereizt. Außerdem vermietet kaum ein Eigentümer direkt sondern fast alles läuft über die Sparkasse, die hier in Haßfurt Monopolstellung hat. Das kostet dann nochmal Provision. Also wieder: Geld, Geld, Geld.
Außerdem trägt die Stadt mit ihren super fleißigen Politessen auch absolut dazu bei, dass viele Leute nicht in der City einkaufen. Das hört man an jedem privaten Plaudertisch. Aber die Stadt freut sich wohl zu sehr an ihren Parkgebühr- und Strafzettel-Einnahmen. Merkt dabei jedoch nicht, dass sie ihrer eigenen Geschäftswelt dabei die Kunden vertreibt. Das geht mir ständig selber so. Und dann wird argumentiert, dass man ja auch im Parkhaus parken kann. Haßfurt muss wissen, dass sie keine Stadt wie Bamberg oder Schweinfurt ist. Haßfurt sollte froh sein, für jeden Kunden der in die Stadt kommt und einkaufen will. Und wenn es mal ein schneller Einkauf sein soll, dann ist es eben so.
Letzte Woche hab ich im Vorbeifahren einen Pulli gesehen, der mich „angelächelt“ hat. Eingeparkt, schnell rübergelaufen. Pulli war nicht das Richtige, aber schnell eine Gerupften-Laugenstange vom Bäcker Jüngling mitgenommen. 10 € bezahlt. Vielen Dank! Das nächste Mal fahre ich gleich zum AwG und zu EDEKA, da hab ich keine Parkplatzprobleme.
Und wenn ich im Rathaus was sage, dann heißt es: In Schweinfurt müssen Sie auch ordnungsgemäß parken…..
Naja, die müssens es wissen.
Schönen Gruß
Beate Rink
Liebe Frau Rink,
Innenstädte werden in Zukunft durch ihren Charme und Fußgänger- bzw. Fahrradfreundlichkeit punkten. Wenn Sie wieder ein Pulli anlächelt parken Sie halt 100 m weiter und spazieren zurück.
Wenn die Stadt die Parkregeln aufweicht ist Ihr „Schnell/Kurzparkplatz“ vielleicht eh schon von einem anderen Nutzer verstellt und es entstehen nervige Engstellen auf Fahrbahn oder sogar Gehwegen.
Schönen Tag,
Hans Stalleicher