Die Happy Locals

Einfach nix los hier. Die Jugendlichen hängen nur rum. Muss nicht sein, finden Dimitri Hegemann und Annette Katharina Ochs. Die beiden Kulturmanager haben 2016 eine kleine Denkschrift darüber verfasst, wie man junge Menschen animieren kann, ihr Potential zu entdecken und auch abseits der großen und angesagten Städte glücklich und zufrieden zu werden.

Doch anders als vielleicht gedacht muss man als Gemeinde für Happy Locals eigentlich gar nicht viel tun. Nur seine aktiven jungen Wilden wirklich ernst nehmen und ihnen einen Raum geben, mit dem sie etwas anfangen können. Am besten einen Leerstand im Besitz der Gemeinde wie zum Beispiel eine ungenutzte Scheune, ein leeres Ladenlokal oder eine Ruine, raten die Autoren, die sich auch als „Brückenbauer“ verstehen:

„Wir versuchen, zusammen mit den jungen Leuten, Räume zu finden, in denen sie sich austoben können. Es wird total verkannt, welches Potenzial in den jungen Leuten steckt, die eigentlich eine Stadt vor der Verödung retten können. Man muss auch mal was zulassen. Gib der Jugend Raum und Zeit, dann wird das auch was werden. Es geht nicht nur ums Feiern. Die jungen Leute sollen Start ups gründen, Agenturen ins Leben rufen, Nischen finden. Wir brauchen kleine Orte, wo Reibung stattfindet, Orte, die nicht so elitär und bezahlbar sind. Die können zu Leuchttürmen in einer Gemeinde werden. Und es geht darum, die Abwanderung der jungen Intelligenz zu stoppen. Wenn die nämlich kein „Ja“ hören seitens der Bürgermeister/Verwaltung einer Stadt und keinen Raum finden zum Experimentieren, dann gehen sie. Und die Stadt verliert wieder einen Querdenker,“

hat Hegemann am 2. Oktober 2016 im Interview mit dem originellen Titel Techno-Papst rettet die Provinz auf derwesten.de erklärt.

„Techno-Papst“, weil er 1991 den legendären Berliner Techno-Club Tresor gegründet hat. Aufgewachsen ist Hegemann aber in Büderich (2.983 Einwohner), einem Stadtteil von Werl in Südwestfalen, und eigentlich wollte Dietmar-Maria, so hieß er damals, nie von da weg. Doch Ende der 1970er Jahre war in der Wallfahrtsstadt niemand bereit, einigen langhaarigen Jugendlichen Raum für eigene, neue Ideen zu geben. Also zog er nach Berlin und aus Dietmar wurde Dimitri.

„Lasst sie doch ruhig mal machen!“ scheint der richtige Ansatz zu sein, um Jugendliche zu aktivieren und sie zum Mitgestalten zu animieren. Denn gerade junge Leute sind schwer für übliche Beteiligungsprozesse zu gewinnen, die aus ihrer Sicht oft zu langwierig und nur wenig aktionsorientiert ablaufen. Anderseits kann es ohne Jugendbeteiligung auch keine nachhaltige Zukunftsgestaltung geben und nur mit ernst gemeinter Beteiligung können Bleibe-, Zuzugs- und Rückkehrperspektiven in ländlichen Räumen geschaffen werden, hat die LEADER-Zeitschrift LandInForm zu Jugend und Regionalentwicklung bereits 2013 richtig festgestellt.

Das Selber-Machen spielt auch bei den Modellvorhaben aus ganz Deutschland eine Rolle, mit denen das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung in einer mehrjährigen Forschungsreihe von 2010 bis 2016 Methoden zur Jugendbeteiligung in Städten sowie in einigen Gemeinden im ländlichen Raum erprobt hat. Am ehesten gelingt die Aktivierung über gemeinsame Aktionen und konkrete (Jugend-)Projekte, wenn ein Mangel wie zum Beispiel ein fehlender Jugendraum oder Konflikte mit Anwohnern angegangen werden, lautet eine Erkenntnis von Jugend macht Stadt. Von großer Bedeutung ist hierbei das Netzwerk-Prinzip der Selbstbestimmung und (nichthierarchischen) Selbstorganisation, wodurch das Engagement junger Akteure deutlich erhöht wird und sie dann sogar bereit sind, selbstbestimmte Räume in Wert zu setzen und dauerhaft Verantwortung dafür zu übernehmen, so das Fazit von Jugend belebt Leerstand. Und selbst gestaltete Experimentier- und Möglichkeitsräume wiederum, sogenannte Jugend.Stadt.Labore, brauchen junge Stadt/Gemeinde-Macher für die Kreativität, damit sie in der gemeinsamen Auseinandersetzung mit diesen Orten Ideen und Projekte für neuartige Raumnutzungen oder auch für ihr „eigenes Ding” (Start-ups) entwickeln können.

Übrigens funktioniert das auch mit selbstgenutzen Freiräumen, also Flächen, die unverbaut oder ungenutzt sind und so Raum für die Entwicklung eigener Ideen bieten: Die Freiraum-Fibel gibt Starthilfe für Plätze, Hinterhöfe, Uferstreifen, Straßengrün, vergessene Orte, Zwischenräume, Brachflächen oder Stra­ßenräume.


Bildnachweis © Julia Gajewski

Von Jens Lilienbecker

Was? Wie? Warum? Bei unserem Büro für Geographie und Kommunikation beschäftige ich mich mit gesellschaftlichen Trends und zeige auf Zukunft der Region Chancen und Potentiale für Regionen und Gemeinden im ländlichen Raum.

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