Der Weltacker

Was passiert, wenn man die Ackerfläche der Welt, nämlich 1,4 Milliarden Hektar, durch alle sieben Milliarden Menschen auf der Erde teilt? Über den Daumen gepeilt kommen 2.000 Quadratmeter heraus. Dieses Stück Land steht theoretisch jedem zur Verfügung, um sich zu ernähren und zu versorgen. Aber weil wir im reichen Norden so viel verbrauchen, verschwenden und vernichten, kommen wir mit diesem Platz gar nicht aus und verkonsumieren indirekt das Land des armen Südens, kritisiert die Zukunftsstiftung Landwirtschaft. Im Weltagrarbericht fordert sie daher einen Paradigmenwechsel in der (globalen) Landwirtschaft.

Um uns das besser vorstellen zu können, haben die Aktivisten auf dem Gelände der diesjährigen Internationalen Gartenausstellung Berlin einen 2.000 Quadratmeter großen Versuchs-Acker angelegt. Der kleine Weltacker zeigt modellhaft und im Maßstab, welche Ackerkulturen global angebaut werden und zu welchem Zweck: Weizen, Reis und Mais verbrauchen mit Abstand die größte Fläche. Dann folgen andere Getreide, Ölsaaten und Soja. Für Gemüse und Obst genügt ein kleiner Teil, jeweils nur 80 Quadratmeter. Vom größten Flächenverbraucher, dem Weizen, wird aber nur ein kleiner Teil zu unserer direkten Ernährung genutzt. Der größte Teil wird als Biosprit verbrannt oder ans Vieh verfüttert, deren Fleisch, Milch und Eier dann später bei uns im Supermarkt stehen. Bei Mais und Soja ist das Verhältnis sogar noch ausgeprägter. Der Jahresertrag von 2.000 Quadratmetern hier in Deutschland reicht gerade mal aus, um zwei Schweine zu mästen – mehr gibt es dann aber nicht.

Diese und weitere Acker-Geschichten werden auf den Infotafeln und -stationen erzählt, die als Leitsystem über den Weltacker führen sowie auf der gut gemachten Projektseite. Doch Vorsicht – nicht alle gehen immer gut aus.

Die Idee, den Acker selbst zum Hauptdarsteller zu machen und uns damit ein Gefühl für die eigene Rolle in der globalen Landwirtschaft zu vermitteln, stammt von Benedikt Härlin, der seit 2002 das Berliner Büro der Zukunftsstiftung leitet:

„Ursprünglich wollten wir eine Figur finden, mit der sich alle Europäer in puncto Ernährung identifizieren. Wir haben zwar keine solche Person gefunden, sind aber draufgekommen, dass zu den 2.000 Quadratmeter jeder ein Verhältnis aufbauen kann, ganz gleich ob Städter oder Landmensch. Wenn du weißt, dass du selbst 2.000 Quadratmeter hast, dann regt das sofort deine Fantasie an. Und das ist auch der Sinn dahinter. Das komplexe Thema Welternährung auf einen Acker runtergebrochen. 2.000 Quadratmeter kann man erfassen“, hat er 2015 im Kundenmagazin griffig & glatt auf Seite 47 erklärt.

Ein Jahr zuvor war der Weltacker nämlich zuerst als Öko-Allmende in Berlin-Gatow (4.298 Einwohner) an der Havel angelegt worden. Weitere Weltäcker gibt es nun auch in China, Frankreich, Kenia, Türkei, Schottland, Schweden, Schweiz und in Rothenklempenow (631 Einwohner) in Pommern.

Zu wissen, woher unsere Lebensmittel kommen, genügt den Acker-Aktivisten also nicht mehr. Denn jeder Einkauf ist schließlich ein Auftrag an die Landwirtschaft und je nachdem, was und wie wir einkaufen, so bestellen wir auch unseren Acker:

„Jeder Bissen hat einen einzigartigen Ort, den wir mit gestalten!“,

fordern sie uns auf, den eigenen Handlungsspielraum zu nutzen und sorgsam mit der Ressource Ackerfläche umzugehen (ethischer Konsum).

Das damit angesprochene Wechselspiel zwischen dem eigenem Handeln und der Umwelt/Kulturlandschaft wird beim „Flächen-Buffet“ besonders deutlich. Dort wird anschaulich gezeigt, wie viele Quadratmeter es heute zum Mittagessen gibt, indem man die Rohstoffe eines Gerichts zusammen in einem Beet angepflanzt hat: Currywurst mit Pommes verbraucht vier Quadratmeter, Spaghetti mit Tomatensoße jedoch nur 0,5 Quadratmeter!

Ähnlich wie die Aktivisten sehen das auch immer mehr Menschen, die sich in der solidarischen Landwirtschaft, bei Urban Gardening bzw. in einer essbaren Gemeinde oder in der GemüseAckerdemie engagieren, die die Schulgarten-Idee neu belebt hat. Der Acker steht hier für den gesellschaftlichen Trend, die Produktion von Nahrungsmitteln wieder in die eigenen Hände zu nehmen (Prosument, Selbermachen) und zumindest teilweise wieder Selbstversorger zu werden. Beim Weltacker gibt es dafür den „Ackerdienstag“: Man kann seine Gartenhandschuhe mitbringen und mit Ackerpaten und anderen freiwilligen Helfern gemeinsam pflanzen, hacken, jäten, ernten und dann frisch vom Acker kochen und essen. Übrigens wird alles, was auf dem Weltacker geerntet wird, genau dokumentiert. In einem grün angestrichenen Bauwagen stehen eine Waage, das Acker-Logbuch und die Gartengeräte zum Einsatz bereit.


Bildnachweis © Weltacker V.Gehrmann J.Ganschow

Von Jens Lilienbecker

Was? Wie? Warum? Bei unserem Büro für Geographie und Kommunikation beschäftige ich mich mit gesellschaftlichen Trends und zeige auf Zukunft der Region Chancen und Potentiale für Regionen und Gemeinden im ländlichen Raum.

2 Kommentare

  1. Sehr schön aber Städte wie Berlin, New York, Tokio, Hongkong oder nur Nürnberg und Bamberg, um auch ein paar Kleinstädte zu nennen wollen auch ernährt werde und das geht nicht regional und noch weniger mit Solitarischer Landwirtschaft. Und dann gibt es noch Regionen auf der Welt, da gibt es nur alle x Jahre eine Ernte. Es ist deshalb ein Verbrechen gegenüber der Menschheit Flächen in Europa, Nordamerika oder anderen Regionen der Welt wo man nachhaltig produzieren kann, zu extensiveren.

  2. Sehr geehrter Wunderlich Werner, der Weltacker ist ein kleines Weltmodell das zeigt, wie viel Fläche HEUTE jedem Erdbewohner zr Verfügung steht, egal ob er jetzt Afrika oder Europa lebt, in der Stadt oder auf dem Land. Es ist ein rein rechnerisches Modell. So kann jede/r sehen, wie viel er eigentlich zur Verfügung hat und durch sein/ihr Konsumverhalten entscheiden, wie er/sie diese Fläche nutzt und ob sie ausreicht bzw. wie viel jede/r einzelne verbraucht. Es geht hier nicht um Extensivierung, sondern darum, wie und wofür die vorhandene Fläche benutzt wird. Mehr Infos gibt es unter http://www.2000m2.eu
    A. Dupuy-Cailloux für 2000m²

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