Bananen und Papayas aus Bayern? Das klingt nach vorgezogenem Klimawandel, spart aber jede Menge CO2, und mehr Aroma als die übliche Containerware aus Übersee haben sie auch noch.
Die vollreif geernteten tropischen Früchte waren die Überraschung auf der Würzburger GenussMacherMesse 2016, wo man neue Produkte aus Franken probieren und erleben konnte. Auf der Bühne der ehemaligen Postlagerhalle wurden die Früchte von Ralf Schmitt präsentiert, dem Gärtnermeister vom Tropenhaus. Und der Sternekoch Tobias Bätz durfte daraus in der Koch-Show sogleich ein regionales Menü zaubern. Bätz leitet beim Fernsehkoch Alexander Herrmann das Gourmet-Restaurant, worüber auch ein Großteil der biozertifizierten Tropenhaus-Produkte vermarktet wird. Spätestens jetzt war uns klar: Da müssen wir hin!
Aber auf den ersten Blick ist Kleintettau (380 Einwohner) im Landkreis Kronach, nahe der Thüringer Landesgrenze, so gar kein Ort für die Produktion von Tropenfrüchten. Ausgerechnet in der rauen Berglandschaft des Rennsteigs, wo sich eine herkömmliche Landwirtschaft nie wirklich lohnte, ist Mitte 2014 eine 3.500 Quadratmeter große Gewächshausanlage mit Besucher- und Produktionshaus eröffnet worden. „Klein-Eden“ heißt das zukunftsweisende Umweltprojekt.
Der Grund liegt in der benachbarten Glashütte von Heinz Glas, die in erster Linie für hochwertige Kosmetik- und Parfürmflakons bekannt ist. Mit der Industrieabwärme, die sonst einfach verpuffen würde, wird der gesamte Komplex rund um die Uhr auf paradiesische 20 bis 24 Grad Celsius umweltfreundlich beheizt. Das ist ideal für die Erforschung und Produktion von Avocados, Bananen, Guaven, Karambolen, Lulos, Maracujas, Papayas und anderer Exoten.
Weil das in Deutschland neuartig ist (nur in der Schweiz gibt es zwei ähnlich konzipierte Tropenhäuser) und gemeinschaftlich von Landkreis, Gemeinden, Unternehmern und Unterstützern der Region getragen wird, wurden die energieeffizienten Früchte aus Tettau im Juli 2016 als Ort im Land der Ideen ausgezeichnet. Die Jury hat hier der Bezug zum Jahresthema „NachbarschafftInnovation“ und die Nutzung der Potenziale von Nachbarschaft im Sinne von Gemeinschaft, Kooperation und Vernetzung überzeugt.
„Nachbarschaft an sich ist noch nicht die Antwort, aber immer eine Chance! Nachbarn kann man sich selten aussuchen, aber man kann die Nachbarschaft gestalten. Und hier sehe ich die Möglichkeiten, im Verbund mit den Nachbarn Neues zu schaffen, Synergien zu nutzen. Das ist durchaus nicht einfach, und gute Nachbarschaft ist keine Selbstverständlichkeit. Wer kennt nicht Geschichten von schrecklichen Nachbarn, unversöhnlichen Konflikten um Nichtigkeiten. Und welches Glück, welche Bereicherung bedeutet gelungene Nachbarschaft! Das umfasst alle Sphären des Lebens. In guter Nachbarschaft können die Beteiligten vielfältig profitieren: kulturell, wirtschaftlich oder sozial“, erklärt das Jurymitglied Adelheid Feilcke von der Deutschen Welle im Newsletter Januar 2016 auf Seite 5 das Anliegen des Wettbewerbs.
Doch in Klein-Eden gibt es nicht nur Früchte. Um den Ertrag der tropischen Pflanzen zu steigern, ohne die Umwelt zu belasten, und auch im Sommer genügend „Energiemüll“ von der Glasfabrik abzunehmen, werden im Produktions- und Forschungsgewächshaus zusätzlich Nilbarsche (Tilapias) in einem organisch-biologischen Kreislaufsystem (Polykultursystem) gezüchtet. Die Speisefische wachsen mit rein pflanzlicher Kost in Regenwasser heran, das nach der Fischproduktion als Dünger für die Pflanzen dient.
Die Symbiose von Planzen- und Fischzucht gilt als Food-Produktion der Zukunft und wird bei Urban-Gardening-Projekten zur stadtnahen Selbst-Versorgung eingesetzt. Im Tropenhaus geht man durch die mehrfache Nutzung von Energie, Wasser und Nährstoffen noch einen Schritt weiter und kann als Vorbild für andere Industriebetriebe mit ähnlichem Wärmeaufkommen (Brauereien, Stahlschmelzen, Großkühlhäuser, Siebdruckereien, Porzellanfabriken etc.) dienen. Vielleicht könnte in Zukunft neben jedem produzierenden Betrieb ein Gewächshaus stehen, in dem Lebensmittel für die Mitarbeiter und die Menschen in der Umgebung nachhaltig angebaut werden?
Bildnachweis: Ralf Schmitt, Tropenhaus am Rennsteig