Durch die zunehmende Vernetzung durch das Internet hat sich Crowdfunding durchgesetzt. Das ist eine neue und völlig andere Art der Finanzierung, die entweder alternativ oder in Ergänzung zu öffentlicher Förderung, Banken oder Stiftungen eingesetzt werden kann. Das Besondere ist, dass eine größere Gruppe Menschen (= crowd) gemeinsam ein Projekt oder Vorhaben finanziert (= to fund) – ganz ähnlich wie das Friedrich Wilhelm Raiffeisen im Westerwald schon vor 152 Jahren praktiziert hat. Die Wortschöpfung Crowdfunding hat aber der US-Amerikaner Michael Sullivan 2006 erfunden und seitdem suchen immer mehr Einzelpersonen, Unternehmen, aber auch Organisationen/Vereine nach Geldgebern im Netz. Auch für Kommunen kann das übrigens funktionieren (Magazin DEMO).
Die ersten Crowdfunding-Plattformen Indiegogo und Kickstarter entstanden 2008/2009 in den USA und mit Startnext und VisionBakery sind 2010 die ersten Plattformen in Deutschland gestartet. Dort kann jeder sein innovatives Projekt präsentieren. Alle, die eine Idee gut finden, können sie mit einem kleinen Beitrag unterstützen. Je mehr Menschen also von dem Projekt begeistert sind, desto größer wird die Summe. Der Projektstarter erhält das Geld jedoch nur dann, wenn das Finanzierungsziel zu 100 Prozent erreicht wird. Das klappt in Deutschland bei jedem zweiten Projekt (53 %), hat die Crowdfunding-Studie festgestellt.
Als Dank für seine Unterstützung erhält man auch etwas zurück. Je nach Modell können das ideelle oder materielle Belohnungen (öffentliche Danksagung, das fertige Produkt, Prämien, eine Sonderedition, Geschenke, eine Einladung zur Premiere, ein exklusiver Blick hinter die Kulissen etc.), eine Spendenquittung, Zinsen (Crowdlending) oder Beteiligungen (Crowdinvesting) sein.
Weil ein dazwischengeschalteter Vermittler in Form einer Bank nicht mehr nötig ist, um das Geben und Nehmen zu koordinieren, gilt Crowdfunding als eine Art Gegenbewegung zum herkömmlichen Bankengeschäft, erläutert das Schweizerische Institut für Entrepreneurship 2015 in einem Short Paper. Das erledigen die Informations-, Kommunikations- und Transaktionsplattformen nämlich einfach und unbürokratisch selbst.
Doch ganz so einfach läuft es wohl nicht. Denn wer mit Crowdfunding erfolgreich sein will, darf mit der Bewerbung nicht warten, bis das Projekt fertig ist, sondern muss frühzeitig auf sich aufmerksam machen und das Zielpublikum aktiv in die konzeptionellen Überlegungen und in die Kommunikation einbeziehen. Das Wissen und die Kreativität möglichst vieler Menschen bei der Realisierung neuer Ideen systematisch einzubinden, ist zwar mit Aufwand, viel Engagement und Offenheit verbunden, der direkte Dialog mit der Crowd ist aber freilich kein Nachteil, sondern nur die logische Weiterentwicklung des Netzwerkgedankens. Crowdfunding gehört deshalb ebenso wie Crowdsourcing zu den neuen Open-Innovation-Ansätzen (Erfahrungen und Wissen von allen Interessengruppen nutzen), die das Innovationspotential nicht nur von Unternehmen vergrößern, sondern auch die Bürgerbeteiligung und Mitgestaltung fördern.
Anna Thell, die bei Startnext für Kommunikation zuständig ist, erklärt auf ihrem Blog, warum das gerade für Städte, Regionen und Kommunen spannend ist:
„Viele Städte, Regionen und Kommunen stehen vor der Frage, wie sie die Digitalisierung sinnvoll für sich nutzen können. Crowdsourcing und Crowdfunding können hier ein spannender Weg sein, um Ideen aus der Stadt sichtbar zu machen, die Macher miteinander zu vernetzen und lokales Engagement zu fördern. Denn nichts ist wertvoller als wenn Menschen ihre Städte mitgestalten, sei es mit Ideen, mit Engagement oder mit Geld.“
Für regionales Crowdfunding und eine Verbindung von Crowdfunding und Regionalität spricht auch, dass viele Unterstützer aus dem direkten Umfeld der Projektstarter kommen und die Initiatoren und ihre Projektidee nicht nur virtuell, sondern auch persönlich kennen lernen wollen. Zudem wollen immer mehr Menschen wissen, was mit ihren Geld passiert und sich direkt vor der eigenen Haustür engagieren. Neben Spezialplattformen zu bestimmten Themen wie Sport, Musik, Film, Immobilien, erneuerbare Energien etc. gibt es inzwischen auch solche, die Projekte einer bestimmten Stadt oder Region im Fokus haben und eine lokale Crowd aufbauen wollen. Auf dem Informationsportal www.crowdfunding.de werden aktuell 16 regionale Plattformen aufgelistet.
Einen Trend in der Zunahme regionaler Projekte, die sich über die Crowd finanzieren, sieht die IHK München und Oberbayern. Als Beispiel wird u.a. die Initiative der Volks- und Raiffeisenbanken Viele schaffen mehr genannt, die bis jetzt 1.273 regionale, gemeinnützige Projekte über die Plattform der VR-Banken einsammelte. Die regionale Plattform place2help versteht sich sogar explizit als Instrument für nachhaltige Regionalentwicklung und will Impulse für mehr Innovation, Mitverantwortung und Lebensqualität setzen. 2015 ging der erste Ableger in München online, nun soll Rhein-Main folgen.
Interessant ist auch ein Blick nach Österreich, wo 2014 die Bank für Gemeinwohl Genossenschaft gestartet wurde, um zu beweisen, dass „man die Welt doch mit einer Bank besser machen kann“. In der Alpenrepublik gab es nämlich bisher noch keine ethische Bank wie beispielsweise in Deutschland (GLS Bank, Umweltbank, Ethikbank). Im kommenden Jahr ist eine eigene Crowfunding-Plattform geplant. Dorthin gelangen nur gemeinnützige Projekte oder zivilgesellschaftliche Initiativen, deren Gemeinwohl-Orientierung durch die Genossenschafts-Community geprüft wurde. Vorreiter sind auch die Landeshauptstädte Graz und Linz. Hier wurde jeweils eine eigene Förderung aufgelegt, um die Vorarbeiten (Videos, Grafik/Design und Kommunikation) zu unterstützen, die für eine Crowdfunding-Kampagne notwendig sind.
Eine schöne Anregung sind auch Ideenwettbewerbe. Diesen August hat die Thüringer Tourismus GmbH die erste Crowdinnovation-Kampagne einer öffentlichen Tourismusorganisation initiiert. Über die Onlineplattform Innovationskraftwerk wurde öffentlich dazu aufgerufen, Ideen für attraktiveres Tagen in Thüringen einzureichen. 55 Konzepte wurden eingereicht und die besten drei sind jetzt in Erfurt prämiert worden.
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