Unsere Welt ist zunehmend digital vernetzt. Die Menschen nutzen die neuen Möglichkeiten und tauschen ihre Erfahrungen, ihre Fähigkeiten und sogar ihr Eigentum aus. Für die Wirtschaft ist die Digitalisierung ein wichtiger Innovationstreiber (Smart Services, Industrie 4.0, Internet der Dinge) und vor allem in wissensbasierten Unternehmen werden das Know-how, die Kreativität und das Talent der Mitarbeiter entscheidend. Im Gegenzug könnten jedoch bald viele Routinejobs von Robotern und Maschinen ersetzt werden, sagt die Studie der ING-DiBa voraus und liefert damit den Befürwortern des bedingungslosen Grundeinkommens (Abstimmung in der Schweiz am 5. Juni) stichhaltige Argumente. Schon jetzt greift der digitale Fortschritt in der Landwirtschaft und große Landwirtschaftsbetriebe nutzen Big Data und IT-Programme für die Anbauplanung oder setzen automatisch gesteuerte Landmaschinen oder Melkroboter ein.
Auch die Zukunft der Stadt ist vernetzt und mittlerweile ist der Begriff Smart Cities bekannt. Damit ist der Anspruch verbunden, die boomenden Metropolen mit intelligenter Technik nachhaltiger zu entwickeln, die Folgen des sozialen Wandels zu gestalten und die großen Städte vor dem Kollaps zu bewahren. Entscheidend ist dabei die Intelligente Vernetzung, also die Vorzüge der horizontalen Vernetzung unterschiedlicher vertikaler intelligenter Netze (Energie, Verkehr, Gesundheit, Bildung, Verwaltung) zu nutzen. Zukunftschancen ergeben sich insbesondere für die ländlichen Regionen, weil die Digitalisierung keine Grenzen kennt und dadurch geografische Nachteile aufgelöst werden können: Nicht mehr der physische Ort, sondern der (schnelle) Zugang zum Internet entscheidet über die Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe und zur Nutzung von Wissensinfrastrukturen. Dank staatlicher Förderung schreitet der Breitbandausbau nun voran und selbst im abgelegenen Sulzdorf an der Lederhecke (1.089 Einwohner), wo wir wohnen, werden moderne Glasfaserkabel verbuddelt.
Das eigentliche Potential, um das Leben auf dem Land einfacher und attraktiver zu machen, liegt aber nicht im Breitbandanschluss, sondern in digitalen Angeboten, erklärt der Leiter vom Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE) der Technischen Universität Kaiserlautern, der Informatiker Prof. Peter Liggesmeyer anlässlich des Starts des Forschungsprojektes Digitale Dörfer am 14.12. 2015, das vom rheinland-pfälzischen Innenministerium gefördert wird:
„Erst durch die intelligente Vernetzung von Diensten, Daten und sogar Dingen kann es uns gelingen, auch ländliche Regionen fit für die Zukunft zu machen. Die eigentliche Herausforderung stellt mitnichten nur der Breitbandausbau dar: Nur wenn auf sichere, zuverlässige und anwenderfreundliche, aber auch nachhaltige und wirtschaftlich rentable Lösungen zurückgegriffen werden kann, kann sich das Potenzial der Digitalisierung entfalten und Land und Leute werden davon profitieren können. Perspektivisch müssen bestehende Systeme intelligent ineinandergreifen und aufeinander abgestimmt funktionieren.“
Bis zum Sommer 2018 entwickelt der Professor in zwei Testregionen, in den Verbandsgemeinden Betzdorf (15.179 Einwohner gesamte VG) im Westerwald und Eisenberg (13.023 Einwohner gesamte VG) / Göllheim (11.861 Einwohner gesamte VG) im Norden der Pfalz, wie die Bereiche Mobilität und Logistik in der Praxis mit smarter Technologie (Softwaresysteme wie Apps für das Smartphone) vernetzt werden können: Beispielsweise, wenn sich der regionale Einzelhandel zusammenschließt und mit der Mithilfe mobiler Bürger Lebensmittel und Waren noch am gleichen Tag der Bestellung ausliefern kann. Oder wenn ältere Menschen und Menschen mit Behinderung Unterstützung bei ihren Wegen zum Einkaufen, zum Arzt oder bei anfallenden Arbeiten durch ihre Mitmenschen erhalten. Oder wenn Pendler auf ihren täglichen Routen zur Arbeit oder nach Hause Pakete mitbefördern und zustellen können.
Die Digitalen Dörfer sind Teil eines weiter gefassten Forschungs- und Entwicklungsvorhabens, das sich Smart Rural Areas (Intelligenter ländlicher Raum) nennt und auch die Infrastruktur und das Gebäudemanagement durch den IT-Einsatz effizienter nutzen (digitale Infrastrukturen) will und die schon vor Jahren diskutierte Telearbeit durch neue Arbeitsmodelle weiterentwickelt. Unter einem ähnlichen Projektnamen Smart Villages sucht zur Zeit ein weiteres rheinland-pfälzisches Ministerium, diesmal das für Wirtschaft, Modellorte für den Klimaschutz, die in Kombination mit Mobilität und regionaler Wertschöpfung für die Zukunftsfähigkeit des Landlebens sogen sollen. Der Begriff Smart Village tauchte aber bereits 2013 im niederrheinischen Grieth (ca. 800 Einwohner), einem Stadtteil von Kalkar auf, wo um einen Dorfladen ging, der gleichzeitig Post, Bank, Mitfahrzentrale, Sozialstation und ein betreutes Internetcafé verbindet.
Weitere digitale Strategien für Regionen hat die Initiative Smart County zu den sechs Handlungsfeldern Verwaltung und Politik, Mobilität und Logistik, Wertschöpfung/Arbeit und Kultur, Bildung, Energie und Umwelt sowie Gesundheit und Pflege zusammengestellt. Großes Potential wird im E-Government (intelligente Verwaltungsnetze) gesehen, die Verwaltungen in die Lage versetzen, Dienstleistungen über das Internet bereitzustellen und sich neuen Formen der Zusammenarbeit und der Informationsbereitstellung zu öffnen. Schließlich ist eine leistungsstarke und dienstleistungsorientierte Verwaltung ein wichtiger Standortfaktor.
Damit die Behördengänge in Zukunft ähnlich wie beim E-Banking ganz einfach online erledigt werden können, müssen jedoch technische (IT-Architektur und Schnittstellen), finanzielle und rechtliche (E-Government-Gesetze vom Bund und der Länder) Hürden überwunden werden und der Verwaltung genügend Ressourcen für den digitalen Veränderungsprozess vom „Blatt zum Byte“ (E-Akte, E-Formular, E-Termin etc.) eingeräumt werden, weshalb hier eher größere Städte wie z.B. Nürnberg mit einem Bürgerserviceportal Mein Nürnberg oder Osnabrück mit dem virtuellen Bauamt oder als einer der ersten Landkreise der in Cham mit einem Interkommunalen Geographischen Informationssystem vorangehen. Ganz aktuell hat der Freistaat Bayern Ende 2015 das BayernPortal eingerichtet, wo Bürger, Unternehmen und Kommunen Zugang zu mehr als 150 Online-Dienstleistungen haben sowie Datenbanken, Formulare, Merkblätter und Ansprechpartner bei Behörden finden. Etwa um das Auto abzumelden oder Elterngeld zu beantragen. Für die vollumfängliche Nutzung muss die BayernID als Account in Kombination mit einer Registrierung über den neuen Personalausweis mit eID-Funktion (electronic Identity) angelegt werden, mit dem man sich im Internet eindeutig identifizieren kann.
Immer mehr Städte und Gemeinden haben nicht nur die „klassische“ Webpräsenz, sondern nutzen auch soziale Medien wie Facebook, Twitter und Co. zur Bürgerkommunikation. Die Digitalisierung eröffnet auch neue Formen der gesellschaftlichen Teilhabe und für die digitale Bürgerbeteiligung können nicht nur Blogs und Newsletter, sondern auch spezielle Software von Polida, opendoors oder Werdenktwas genutzt werden. Ein Beispiel aus einer kleineren Stadt stammt aus Wennigsen (13.902 Einwohner) bei Hannover, wo es um Spielplätze ging. Übrigens sucht der Bundeswirtschaftsminister noch bis zum 20. März Projekte kommunaler Akteure zur Intelligenten Vernetzung. Anschließend sollen „Visionen“ zur Intelligenten Vernetzung in den Regionen und kommunalen Verbünden erarbeitet werden. Auf der Open-Innovation-Plattform Netze neu-nutzen kann man aber schon jetzt die bisher eingereichten Projekte anschauen.
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