Der deutsche Wald braucht mehr Artenvielfalt und eine natürliche Entwicklung. Sonst ist er den Herausforderungen des Klimawandels nicht gewachsen, meint der 86-jährige Förster Dr. Georg Meister in seinem aktuellen Buch Die Zukunft des Waldes. Warum wir ihn brauchen, wie wir ihn retten.
Der Planer des Nationalparks Berchtesgaden in den 1970er Jahren und frühere Leiter des Gebirgsforstamtes Bad Reichenhall spricht sich für eine Rückkehr zum naturnahen Mischwald aus, der sich in seiner ganzen natürlichen Artenvielfalt entwickeln kann. Das ist eigentlich gar nicht so neu und wird seit Jahrzehnten bereits von der nachhaltigen Forstpolitik gefordert. Schließlich hat ja auch ein Forstmann den Begriff der Nachhaltigkeit vor über 300 Jahren erfunden.
Doch warum dominieren bei uns in Deutschland eintönige Fichten- und Kiefernforste?
„Nach wie vor entscheidet im deutschen Wald viel zu oft noch immer die Art der Jagdausübung und damit die Zahl der Rehe und Hirsche, welche Baum-, Kraut- und Straucharten in den jungen Wäldern aufwachsen dürfen“, lautet die entschiedene Antwort Meisters, womit er sich bei der eher konservativen Jagdzunft nicht viele Freunde macht (Zitat aus der Rezension im Deutschlandfunk vom 24.8.2015).
Wie kann der normale Waldbesucher sehen, dass der Wildbestand zu hoch ist? Nochmal Meister:
“Das kann man am besten sehen, wenn man sich einen Wild abweisenden Zaun anschaut, wo innerhalb dieses Zaunes eine enorme Artenvielfalt da ist von vielleicht fünf oder zehn Baumarten und einer großen Zahl von Kraut- und Straucharten. Und außerhalb vom Zaun haben wir hartes Gras, Disteln und wir haben in erster Linie Fichten und Kiefern.“
Einige Waldbesitzer und viele Jäger züchten mit gezielten Maßnahmen – wie der Fütterung der Rehe im Winter – immer übermäßig viel Wild nach, um auch in der nächsten Jagdsaison Trophäen zu schießen. Außerdem werde die Zahl der Wildbestände systematisch unterschätzt, erklärt Meister. Gab es im Urwald, als Luchs und Wolf noch überall in Deutschland heimisch waren, ein Stück Rotwild und fünf bis sechs Rehe auf einer Waldfläche von 200 Hektar, so liegen diese Wildbestände heute beim Zehnfachen und darüber. Neben den ökologisch negativen Folgen verursacht ein hoher Wildverbiss auch hohe Kosten (60 bis 100 Euro pro Hektar), etwa für neue Kulturen, Zäune und den Waldumbau, die nicht über die Jagdpacht (5 bis 10 Euro pro Hektar) ausgeglichen oder geltend gemacht werden können.
Wie „Wälder der Zukunft“ funktionieren können, wird im Buch anhand von Waldbeispielen u.a. aus den Haßbergen bei Rentweinsdorf, aus dem Nationalpark Bayerischer Wald, aus dem Stadtwald Hildburghausen in Südthüringen und aus Oberbayern bei Inzell und Berchtesgarden erläutert.
Um naturnahen Wald zu schützen, braucht es aber nicht nur die Unterstützung der Waldbesitzer und Forstbeamten. Er wird auch die Akzeptanz der Bevölkerung benötigt. Denn viele wissen heutzutage nicht, wie der Wald am Berg oder in der Ebene eigentlich aussehen müsste. Umso notwendiger ist es, das am konkreten Objekt zu zeigen und so die Faszination Wald und das Thema Nachhaltigkeit auf spannende Weise erlebbar zu machen.
Beispielsweise im Nationalpark Harz, wo der Diplom-Forstwirt Christin Barsch originelle Erlebnisführungen anbietet. Auch buchbar im Wald ihrer Wahl, was Barsch Rent-a-Förster-to-go nennt oder als Slow-Foot-Genießen, was bedeutet, dass die Lebensmittel am natürlichen Ursprung gesammelt und dann am offenen Feuer zubereitet werden, wodurch die Natur noch intensiver erlebbar wird.
Nachtrag:
Im gerade erschienen Waldreport 2016 zeigt der BUND in zwanzig Fallstudien aus elf Bundesländern, dass in der Forstwirtschaft nach wie vor erhebliche Defizite bestehen. Als negativ werden beispielsweise massive Holzeinschläge, zerstörte Waldböden, gefällte Höhlenbäume, Kahlschläge bzw. eine zu starke Holzentnahme, darunter Eingriffe in strengen Schutzgebieten, kritisiert.
Dem sind jedoch auch positive Beispiele gegenübergestellt: Öffentliche Wälder, in denen das Gemeinwohl wie der Schutz der biologischen Vielfalt und die Belange der Erholungssuchenden klar vor dem wirtschaftlichen Interesse der Holzgewinnung steht. Und Privatwälder, deren Besitzer sich freiwillig für die Erhaltung wertvoller alter Bäume mit Höhlen für Fledermäuse, Vögel und Käfer in ihren Wäldern engagieren. Lesenswert sind auch die zehn BUND-Forderungen für eine ökologisch verträgliche Waldwirtschaft, die am Ende des Waldreports zusammengestellt sind.
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Die Erkenntnisse stammen, wie richtig bemerkt schon aus den 1970ern und wurden in den Haßbergen und im Steigerwald schon teilweise gut umgesetzt. Leider ist diese positive Entwicklung in den letzten Jahren wieder etwas rückläufig.
In den Haßbergen und im Steigerwald dominieren jedenfalls nicht „eintönige Fichten- und Kiefernforste“
Liebe Frau Rümer, danke für Ihre Meinung und Einschätzung.
Gerade heute war in der Mainpost ein Artikel, der über die „Massentierhaltung“ im Spessart und die damit verbundenen Waldschäden berichtet: http://www.mainpost.de/regional/main-spessart/Forstaemter-Massentierhaltung;art129810,9109504
Viele Grüße
Jens Lilienbecker
Korrektur: Habe „bei uns“ in „in Deutschland“ geändert, dann wird bei der Frage „Warum eintönige Fichten- und Kiefernforste domieren?“ klarer, wer gemeint ist.
Viele Grüße
Jens Lilienbecker
Herr Meister war schon immer ein Gegner des Wildes, obwohl er es als Forstamtsleiter es in der Hand gehabt hätte, den Wildbestand entsprechend an zu passen. Wer glaubt die 10 Rehe auf 100 ha bestimmen die Zukunft des deutschen Waldes übersieht, dass auf der gleichen Fläche in Deutschland durchschnittlich 200 Menschen leben. Wer bestimmt denn da die Lebensbedingungen des anderen?
Lieber Herr Engelhard,
danke für Ihre Meinung.
Sie haben recht: Die Verantwortung liegt bei uns Menschen. Darum ist es umso wichtiger, der Bevölkerung zu zeigen bzw. zu vermitteln, was für die Zukunft des Waldes getan werden muss oder bereits schon getan wird.
Hinsichtlich der Biografie von Georg Meister habe ich gelesen, dass er zunächst von seinem Vater geprägt wurde, der ein Förster alter Schule war und erst später, nach den ersten Berufsjahren zum Kampf für naturnahe Wälder umgeschwenkt ist.
Viele Grüße
Jens Lilienbecker